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Honky Tonk Pirates - Das verheißene Land - Band 1

Titel: Honky Tonk Pirates - Das verheißene Land - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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holte tief Luft. Sie schniefte, und als wäre das ein Zeichen, warfen beide sehr theatralisch einen letzten, herzzerreißenden Blick auf Ferkel und Apfelstrudel und gingen dann langsam zur Treppe, die aus dem Turmzimmer hinab in den Dachstuhl der Domkuppel führte.
    »Ja, Sarah. Wir gehen.Wir gehen und hungern.«
    »Wir werden verhungern«, seufzte Rachel noch einmal.
    Will schöpfte Hoffnung. Er spuckte sich über die Schulter und rieb sich die Hände. »Ja, das ist gut. Husch, husch, haut ab und kommt nie, nie wieder. Ach ja, und erzählt bitte allen, wer ich in Wirklichkeit bin. Ein böser Pirat, der …«

    »… zu Hause ohne Hosen rumläuft«, fiel Jo ihm ins Wort. »Und weißt du, warum? Damit er sie nicht aus Angst vor zwei kleinen und ausgehungerten Mädchen vollpinkeln kann.«
    »Die haben keinen Hunger«, wehrte sich Will. »Das ist nur Theater. Die haben Kartoffeln. Ich hab es gesehen. Ihr Vater ist deshalb Soldat geworden.«
    Er verschwand hinter dem Vorhang und durchwühlte die Kisten. »Und ich hab keine Angst, eine Hose zu tragen. Ha, ich hab keine Angst!«, rief er trotzig und zuckte zusammen, als Jo plötzlich hinter ihm stand. »Uaaah!« Will strafte seinen kleinen Freund mit einem wütenden Blick, zog blind einen Kleiderfetzen aus der Truhe und versuchte vergeblich, ihn über seine Beine zu stülpen.
    Doch Jo sah ihn an wie sein schlechtes Gewissen.
    »Jo«, zischte Will.»Sie haben einen Vater. Das ist mehr, als wir von uns sagen können. Und er liebt sie noch, Jo. Er liebt sie so sehr, dass er bereit ist, für sie zu sterben. Und weil das so ist, müssen wir uns um die beiden, die beiden Mä… Mä… ähm, BIESTER da draußen überhaupt keine Sorgen machen.«
    Will, der noch immer versuchte, sich anzuziehen, erkannte erst jetzt, dass der Stofffetzen, den er für eine Hose gehalten hatte, in Wirklichkeit ein Mieder war.
    »Igitt! Wo kommt das denn her?«, schimpfte er, warf es angewidert in die Ecke und griff ein anderes Kleidungsstück. »Wir müssen uns keine Sorgen machen!«, wiederholte er und versuchte ein Lächeln, doch Jo, der ihn ansah, war nicht mehr nur sein schlechtes Gewissen.
    Er war jetzt pechschwarz mit riesigen Augen.
    »Ja, aber ihr Vater wurde verkauft«, sagte er leise. »Er muss nach Amerika. Er kommt nicht mehr wieder und sie sind
allein. Sie haben niemanden mehr, der sie beschützt. Der sich um sie kümmert. Und die Kartoffeln hat man ihnen einfach geraubt. Man hat sie ihnen weggenommen. Weil sie so hilflos und klein sind. Sie sind doch erst sieben.«
    Will hielt kurz inne und lugte durch den Vorhang nach draußen. Dort standen Rachel und Sarah auf dem Treppenabsatz und blickten ihn an: erwartungsvoll und berechnend, wie es nur Mädchen können.
    »Sie sind doch viel zu niedlich, um Unglück zu bringen«, sagte Jo heiser.
    »Bist du dir sicher?«, fragte der zweifelnde Will.
    »Ja.« Jo nickte. »Und wenn du ihnen nicht helfen willst, werde ich dich verlassen. Ich werde mit ihnen gehen.«
    Will zog seinen Kopf aus dem Schlitz im Vorhang zurück und musterte Jo. »So sicher bist du?«, fragte er ihn und spürte, wie der Kloß in seinem Hals wuchs.
    »Ja.« Jo nickte erneut und Will sah die faustgroßen Tränen in seinen großen Augen. »So sicher, dass ich dir meine Mütze geb.«
    Er packte die lederne, krempenlose Kappe, deren Farben über die Jahre fast ganz ausgeblichen waren, und reichte sie Will. »Das ist alles, was ich habe und was mir etwas bedeutet. Das ist mein Talisman, Will. Das ist das Einzige, was mir von meiner Mutter, die ich nicht kenne, geblieben ist.«
    Will wich zurück. »Ich weiß«, stammelte er ängstlich, »und ich weiß es zu schätzen.Aber ich kann das nicht annehmen. Ich will sie nicht, Jo. Sie passt mir nicht und sie ist mir zu schwer. Ich kann sie nicht tragen.«
    Da liefen die Tränen aus Jos Augen: stumm und faustdick. »Also gut«, sagte er und ging durch den Vorhang zu den Mädchen und sagte: »Kommt! Wir haben hier nichts mehr verloren.«
    »Jo!«, rief Will mit tonloser Stimme. »Jo, jetzt bleib doch bei mir!« Es zerriss ihm das Herz und das war die Wahrheit, das war nicht gelogen, doch dem kleinen Afrikaner war das egal.
    »Wir gehen. Das war’s«, sagte Jo zu den Mädchen und strafte Will mit einem verächtlichen Blick.
    »Das war’s! Wir gehen!«, wiederholte Jo seinen Vorwurf, und Will, der sich eigentlich bodenlos schämte, der sich nichts sehnlicher wünschte, als dass sein Freund blieb, blaffte beleidigt: »Ja, dann geht doch!

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