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Honky Tonk Pirates - Das verheißene Land - Band 1

Titel: Honky Tonk Pirates - Das verheißene Land - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ich meine, einen … anderen Traum?«
    Jo strahlte. »Oh ja, ich hab einen Traum. Ich möchte, dass alle Menschen leben können wie sie.Wie Sarah und Rachel.«
    Will zuckte zusammen, als wäre er von einer fetten Wespe gestochen worden. Einer Wespe im Winter.
    »Dass man lebt, um zu leben, Will!«, geriet Jo ins Schwärmen. »Versteht ihr, was ich damit meine?«
    »Ja, leben fürs Leben«, seufzten die Zwillinge, legten die Köpfe auf die Hände und schliefen satt ein. »Wie bei den Elfen.«
    »Ja«, stimmte Jo zu, »wie bei den Elfen und Feen.« Er legte sich auf die Bank, die vor dem Tisch stand, streckte sich und gähnte: »Und was ist mit dir, Will? Verstehst du das auch?«
    »Oh ja«, grinste Will, während sein kleiner Freund einschlief, »und ob ich das tue. Ich glaube, ich hab mich gerade in deine Elfen verliebt.«
    Er hatte die beiden bunten Beutel geöffnet und schüttete den Inhalt vor sich auf den Tisch. Zwei schwarze Muscheln fielen aus ihnen heraus. Hässlich wie Miesmuscheln und an den Rändern zerfranst. Doch als sie das Licht der Kerzen traf, die zwischen den Essensresten aus Wachstürmen wuchsen, begannen sie langsam zu schimmern. Farben leuchteten aus der Tiefe der
Schwärze, mal golden, mal rot, mal grün und türkis wie das Wasser einer Lagune.
    »Hey!«, raunte Will, während die anderen schliefen, und er wollte die Muscheln gerade berühren, da streckten zwei Einsiedlerkrebse ihre Köpfe und Füße aus ihnen hervor.
    Sie waren aus Silber und klimperten leise und hell wie winzige Glöckchen, als sie über die Tischplatte krabbelten. Dort trafen sie sich, fassten sich bei den Scheren und drehten sich tanzend im Kreis. Das Klimpern der Glöckchen vereinte sich zu einem Lied, das fremdartig war und das Will, obwohl seine Ohren eine solche Melodie noch niemals gehört hatten, sofort in den Bann zog. Fasziniert sah er zu, wie sich die Krebse drehten, bis ihre Häuser, die Muscheln, zu leuchten begannen und miteinander verschmolzen. Das Licht war so hell wie das Licht eines Sterns und als es wieder verblasste, lag die Hälfte des handtellergroßen Strahlenkranzes einer kunstvoll verzierten Windrose vor ihm auf dem Tisch.
    »Du bist ein Teufelskerl«, raunte Will. »Und wenn sich dieser Teufelskerl jetzt und heute nicht irrt, ist dieses Ding da vor deiner Nase der Schlüssel zu einem ganz großen und fantastischen Abenteuer. Dem Abenteuer deines Lebens.« Er musterte den gezackten, silber und schwarz ziselierten, an seinen Spitzen durch einen Bogen verbundenen Winkel und stellte dann staunend fest, dass die erst zur Hälfte vollständige Windrose bei der ersten Berührung durch seine Finger wieder in die beiden unscheinbaren, miesmuschelähnlichen Teile zerfiel. Es wurde dunkel in Wills Seeräuberhöhle im Turm auf der Domkuppelspitze. Das Restlicht des Amuletts erlosch und genau dieses Dunkelwerden wurde von einem Augenpaar beobachtet, dem Will eigentlich nicht noch einmal begegnen wollte.

    Talleyrand. Der Schwarze Baron stand einsam, in seinen schwarzen Hugenottenmantel gehüllt, den Zweispitz tief in der Stirn, auf der in Nebel getauchten Brücke über der Spree und schaute aus fahlgelben Echsenaugen hinauf zur Kuppel des Doms. »Da steckst du also«, sagte er leise. »Und du hast den zweiten Beutel gefunden. Das war aufmerksam von dir.«
    Er gönnte sich ein Lächeln, das selbst denen, die nichts von ihm zu befürchten hatten, das Blut in den Adern gefrieren ließ, und drehte sich um. Hinter ihm warteten zehn mit grauen Tüchern vermummte Soldaten: seine Soldaten, die er persönlich gedrillt und die er bis auf den Tod und darüber hinaus auf sich eingeschworen hatte. »Bringt ihn mir lebend!«, befahl er, sah seinen Männern, die im Schutz des aus dem Flussbett kriechenden Nebels auf den Dom zueilten, nach, und ging dann zum Schloss und zu Eulenfels.
     
    Will hielt die beiden Amulettteile fest in der Hand und betrachtete die schlafenden Kinder. Die Zwillinge sahen so unschuldig aus wie kleine dreckige Engel, und auf der anderen Seite des Tisches schlief Jo. Sein Jo, dachte Will, der einzige Mensch, dem er überhaupt traute. Dem er vielleicht vertrauen konnte. Deshalb beugte er sich zu ihm hinab, wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum, um sicherzugehen, dass er tatsächlich schlief, und zog ihm dann, ganz vorsichtig und langsam, die krempenlose, kreisrunde, angeblich afrikanische Lederkappe vom Kopf, die, obwohl schon so alt und verschlissen, das Kostbarste war, was der kleine Junge besaß.

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