Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx
einzigen Zahnbürste zu schrubben. Zwar würde er seine Aufgabe so gut verrichten, dass man am Ende vom Fußboden essen konnte, aber er würde die Arbeit keineswegs genießen.
Testaniere fragte sich, was man wohl von seinem eigenen Gesicht abzulesen vermochte. In seinem Innersten wusste er nun, was die Finanzbürokraten empfunden hatten, bevor Haven seine Expansionspolitik begann und sie gezwungen waren, aus dem schrumpfenden Budget immer mehr Beihilfen an die wachsende Masse von Dolisten zu entrichten.
Er nahm sich vor, Pescu unter vier Augen zu fragen, welche Fortschritte die Schulung der Feldpolizei mache. Die Leute waren gewiss sehr unzuverlässig, aber wenigstens waren sie greifbar und steckten nicht irgendwo anders.
Major Ryder kam es vor, als wäre Gardedirektor Simpson in den letzten drei Tagen um Jahre gealtert, doch das war unmöglich. Oder? Wenn sie die Gesichter der drei anderen Männer betrachtete, die mit dem Direktor am Tisch saßen, so erschien es ihr durchaus möglich, dass man ihr nach einer dreitätigen Konferenz mit den dreien ansehen könnte, wie alt sie tatsächlich war.
Die Vizedirektoren für Körperertüchtigung, Taktische Bildung und Versorgung wirkten grimmiger und granitener als alles, was sie vor dem Jüngsten Tag zu sehen hoffte. Sahen die Oberen der Freien Staatskirche am Ende etwa so finster drein, weil sie zu viel über das Jüngste Gericht nachdachten? Theologie hatte nie zu Ryders Stärken gehört; sie hoffte, den Einsatz auf Silvestria beenden zu können, bevor diese Disziplin überlebenswichtig wurde.
Simpson nickte der Versorgungsvizedirektorin zu. Sie strich sich das ergrauende kastanienbraune Haar aus der Stirn zurück und zog ein noch finsteres Gesicht. Offenbar hatte sie an der Stirn einmal schwere Verbrennungen erlitten.
»Sie ersuchen uns um eine sehr eigenartige Zusammenstellung an Ressourcen. Nicht dass ich sie für überzogen hielte, aber erklären Sie mir bitte den Zweck jedes Bestandteils.«
Ryder blickte Chung an. Sie tauschten ein Lächeln – aus Gründen, die sie diesen ernsten Republikanern niemals begreiflich machen könnten. Nach einer Beratung mit ihren Leuten hatten sie die Organisations- und Ausrüstungstabelle auf einem tragbaren Computer erstellt. Dazu stellten sie den Computer ans Fußende des Bettes und machten es sich am Kopfende bequem. Zwischen ihnen stand eine reichhaltige Portion Fisch und Pommes frites, die sie in einem Restaurant gekauft hatten. Auf dem Boden lag ihre Kleidung, daneben stand eine Isolierkanne mit drei Litern kalten Biers.
In ihrem ganzen Leben hatte Ryder an keiner angenehmeren Planungssitzung teilgenommen. Noch einige mehr, und sie ließ sich vielleicht doch noch davon überzeugen, dass Bettgeflüster und Lagebesprechungen einander nicht ausschlossen.
Die vorgeschlagene Streitmacht setzte sich aus vier Bestandteilen zusammen: aus 250 ausgesuchten Sea Fencibles, einem Dutzend Fischerbooten, zwei Fischfabrikschiffen und einer Reihe von Luftfrachtern, die klein genug waren, um auf dem Deck der Fabrikschiffe zu landen und die Sea Fencibles zum dreihundert Kilometer entfernten Buwayjon zu bringen.
Die Luftfrachter mussten von der Fischereiindustrie ausgeliehen werden, denn wegen ihrer Lebenswichtigkeit genoss dieser Industriezweig bei der Beschaffung neuster Technik die höchste Priorität. Die Frachter waren langsam, behäbig und nur für niedrige Flughöhen geeignet. Ihre Rümpfe bestanden aus vor Ort erzeugter Aluminiumlegierung und Fiberglas, ihre Motoren und die Elektronik indes waren importiert. Doch wie jedes Fahr- oder Flugzeug, das Ladungen transportieren soll, die im Verhältnis zu seinen Anschaffungskosten stehen, stellten sie eine sehr hohe Lastkapazität zur Verfügung.
»Solange niemand sie zusammen sieht, bringt man sie nicht mit einem Kommandounternehmen in Verbindung«, sagte Chung. »Deshalb marschieren – oder genauer gesagt, fahren – wir getrennt und schlagen vereint zu.«
»Müsste eine neue Fischereiflotte nicht von allein Misstrauen wecken?«, fragte der Vizedirektor für Körperertüchtigung. Er war dickköpfig, aber nicht dumm – jedenfalls nicht dümmer als seine Amtsgenossen. Ryder hatte ihn auf einem Video mit Breitschwert und Schild kämpfen sehen; sie rechnete fest damit, in ihrer ersten Fechtstunde bei ihm etliche blaue Flecke davonzutragen – wahrscheinlich sogar eher in den ersten zwölf Lektionen.
»Nicht, wenn unsere Tarngeschichte in Umlauf kommt«, entgegnete sie. »Der
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