Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
beabsichtige.
Eher halbherzig hatte sie versucht, ihn als Haushofmeister von Harrington House auf Grayson zurückzulassen, denn zweifellos besaß er eine ausgeprägte Gabe, das dortige Personal zu managen (welches nach Honors Ansicht viel zu umfangreich war, aber wen kümmerte schon ihre Meinung?). Ferner wusste sie, dass Clinkscales und ihre Eltern seine unaufdringliche Tüchtigkeit sehr vermissen würden. Nimitz und Samantha hatten ihre Jungen auf Grayson zurückgelassen, denn sie waren nun alt genug, um von Pflegeeltern erzogen zu werden. An Baumkatzen, die sie bei ihren täppischen Streichen wachsam im Auge behielten, herrschte mit Hera, Athena, Artemis und den Baumkatern auf dem Gut von Harrington wahrlich kein Mangel. In den seltenen Fällen, in denen eine weibliche Baumkatze, die einen Menschen adoptiert hatte, Nachwuchs bekam, gab sie ihre Jungen ungefähr im Alter von zwei bis drei T-Jahren in die Obhut von Pflegeeltern. Aus dem Bedürfnis, an der Seite ihres Gatten zu bleiben, während er mit dem Verlust seiner mentalen Stimme rang, hatte Samantha das Pflegearrangement lediglich ein wenig vorgezogen.
Über zwei T-Jahre lang aber hatte MacGuiness den Kätzchen als menschlicher Ziehvater gedient. Honor wusste genau, wie schwer es ihm gefallen war, die verschmusten, wilden Bällchen aus flaumigem Fell zurückzulassen, und sie hatte auch deren traurige Sehnsucht bei seinem Aufbruch gespürt. Immerhin hatte er ihr nicht folgen müssen , wenn sie Grayson verließ. Auf Honors ›posthume‹ Bitte hin hatte die RMN ihm erlaubt, den Dienst zu quittieren, damit er dauerhaft in Harrington House bleiben konnte. Sie gestand sich ein, dass sie darum nicht nur ersucht hatte, weil er in ihrem graysonitischen Haushalt eine solch bedeutende Rolle spielte. Sie hatte ihn bereits in zu viele Raumgefechte mitgenommen und – mit knapper Not – wieder hinausgeführt. Fortan sollte er in Sicherheit leben können.
Niemand schien ihr eine Wahl zu lassen. Sie war sich noch immer nicht sicher, wie Mac schon wieder seinen Willen durchgesetzt hatte. Gestritten hatten sie darüber nie; dazu bestand keine Notwendigkeit. Mit einer Art geistigen Judos, das er mit einer Virtuosität einzusetzen wusste, neben der Honors Fertigkeit im Coup de vitesse verblasste, wich MacGuiness jeder Diskussion aus, indem er einfach an Bord der Paul Tankersley erschien; gerade rechtzeitig, bevor das Schiff sich auf die Reise ins Sternenkönigreich begab. Auch die Navy hatte MacGuiness nicht ihrem institutionalisierten Ordnungssinn unterordnen können. Mac war nie wieder in den aktiven Dienst zurückgekehrt und zeigte auch keinerlei Neigung dazu – trotzdem schien das niemand zu wissen. Indem er ihr, Zivilist der er war, als Steward diente, brach er unzählige Geheimhaltungsvorschriften, da war Honor sich sicher. Allein die Brisanz des TLF-Materials, zu dem er Zugang besaß, musste jeden guten (weil paranoiden) Spionageabwehrspezialisten des ONI in einen Anfall von Berserkerwut stürzen! Niemand aber schien den Mut zu haben, MacGuiness davon in Kenntnis zu setzen, dass er sich über die Bestimmungen hinwegsetze.
Und wenn Honor ehrlich war, wollte sie es gar nicht anders. Früher war ihr schon der Gedanke, einen persönlichen Diener ständig um sich zu haben, albern und anmaßend vorgekommen. In gewisser Weise ging es ihr noch immer so – doch war MacGuiness genauso wenig ihr Diener, wie Nimitz ihr Haustier war. Wie sie ihr tatsächliches Verhältnis charakterisieren sollte, wusste sie nicht genau zu sagen, aber das bedrückte sie nicht weiter. Nur eins zählte: Ob sie nun Commodore, Admiral, Gutsherrin oder Herzogin hieß, sie war noch immer James MacGuiness’ Captain, und er war nach wie vor ihr Betreuer und Freund. Auch als Zivilist und Multimillionär.
Sie lachte wieder, doch dann kehrte MacGuiness mit einer dunkelhaarigen, falkengesichtigen Frau in der Uniform eines Commanders der Royal Manticoran Navy zurück, und Honor verbannte das warme Lächeln aus ihrem Gesicht. Es fiel ihr nicht schwer, eine ernste Miene aufzusetzen, denn düstere Emotionen umgaben die andere Frau wie ein Nebel – Verbitterung und wachsame Furcht, die nur durch einen milden Anklang von Neugier aufgehellt wurden. Wie von einer groben Hand wurde Honor von diesen Gefühlen gepackt, und vermochte sich kaum zu beherrschen; fast wäre sie vor Mitgefühl sichtbar zusammengezuckt.
Ich glaube, mein Verdacht trifft voll ins Schwarze. Hätte ich mich doch nur geirrt. Aber vielleicht
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