Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
eingesetzt hatten. Mittlerweile wusste das ONI, dass Tourville zu den havenitischen Flaggoffizieren gehörte, die während Esther McQueens Offensive die Alliierten zu Paaren getrieben hatten, und offenbar war Shannon Foraker noch immer sein Operationsoffizier. Wenn man es kaltblütig, leidenschaftslos und berechnend betrachtete, wäre es daher nicht unvernünftig gewesen, einen Versuch anzustellen, die Systemsicherheit zur Erschießung dieser beiden hervorragenden Offiziere zu bewegen. Die Überlebenden hatten indessen jeder für sich und ohne Debatte beschlossen, den Mund zu halten. Die Reporter hatten den Flüchtigen von Hell keine ruhige Minute gelassen, doch in keinem einzigen Bericht waren Tourville oder Foraker erwähnt worden. Scotty staunte im Nachhinein, dass weder Dame Honor noch Nimitz oder Andrew LaFollet einen Reporter getötet oder zumindest bis ans Lebensende verkrüppelt hatten, so gnadenlos hatten die Presseleute ›den Salamander‹ behelligt …
»Es kann jedenfalls nicht schaden, wenn wir uns davor hüten«, sagte er nur und nickte zum Display. »Ich wette, der Admiral hat die Gelegenheit ergriffen, um an eigenen LAC-Abwehr-Taktiken zu arbeiten.«
»Sie wollen doch nicht sagen, dass die Havies jemals solche Maschinen bekommen wie wir, oder?« Ashford gelang es nicht, die Ungläubigkeit ganz aus seiner Stimme zu bannen, und Tremaine lachte leise.
»Nicht so bald. Andererseits sollten Sie sich nicht allzu sehr auf die Überlegenheit unserer Technik verlassen. Ich konnte mir eine ganze Menge von ihrem Zeugs aus der Nähe ansehen, und es ist nicht so schlecht, wie Sie vielleicht glauben. In den meisten Fällen ist ihr Gerät zwar nicht so gut wie unser Kram, aber besser, als die meisten von uns annehmen.« Er verstummte und schnitt ein Gesicht. »Na ja, jedenfalls ist es besser, als ich je gedacht hätte, und ich halte mich für keinen Einzelfall.«
»Wie kommt es dann, dass sie ständig eins hinter die Löffel bekommen?«
»Ich sagte, ihr Zeug sei nicht so gut wie unseres … aber vermutlich ist es Durchschnitt. Bei den Havies liegt der Hund eher darin begraben, dass sie ihr Material nicht hundertprozentig ausnutzen. Ihre Software ist miserabel, und die allermeisten Wartungsarbeiten müssen von Offizieren ausgeführt werden; Unteroffiziere und Mannschaften sind dazu kaum in der Lage. Klar …« – Tremaine wedelte mit den Armen – »ihnen fehlen überlichtschnelle Signalanlagen, und sie verfügen weder über die neuen Kompensatoren noch über die Beta-Quadrat-Emitter und so weiter. Aber denken Sie nur an die havenitischen Raketengondeln. Sie sind nicht so gut wie unsere, und diesen Nachteil machen die Havies mit brutaler Gewalt wieder wett. Sie bauen die Gondeln größer, bringen mehr Raketen darin unter und gleichen ihre Unterlegenheit durch eine stärkere Salve wieder aus. Oder denken Sie an unsere Geisterreiter. Die Havies brauchen noch Jahre, bevor sie unser ferngesteuertes Eloka-Gerät nachbauen können, aber sie bräuchten nur schwerere Massetreiber in die Werferrohre zu installieren und sich mit geringeren Raketennutzlasten abzufinden, und schon hätten sie eine Rakete, die eine genauso hohe Reichweite besitzt wie der offensive Teil der Geisterreiter. Wenn die Havies ihre Raketen nur groß genug bauen, könnten sie sie aus Teilen zusammenschrauben, die sie auf Lager haben!«
»Hmpf. Das müssten aber wirklich mächtige Dinger sein«, murmelte Ashford. »Sie wären zu groß, um von Bordwerfern abgefeuert werden zu können.«
»Und wenn man sie aus Gondeln startet? Für die Verteidigung eines Sonnensystems würde das ohne weiteres ausreichen«, entgegnete Tremaine kriegerisch. »Ja, man könnte sie sogar in einschüssige Gondeln setzen, die von Zerstörern oder Leichten Kreuzern geschleppt werden – auch wenn man dafür auf entsprechend viele Gondeln mit kleineren Raketen verzichten müsste. Trotzdem könnte man damit eine wirksame Salve feuern. Ich sage nicht, dass die Havies uns gleichwertig wären, wenn wir die Bedingungen diktieren. Ich sage nur, dass ein havenitischer Admiral oder Taktischer Offizier, der seinem Gerät die maximale Leistung entlockt, uns immer noch ziemlich großen Ärger machen würde, da können wir so gut sein, wie wir wollen – oder wie wir glauben.«
»Da haben Sie wohl Recht«, gab Ashford bedächtig zu. »Und die Havies können mehr Verluste wegstecken als wir, nicht wahr?«
»Das können sie – im Moment wenigstens. Das mag sich natürlich ändern,
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