Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
sie. »Versuch nur nicht, mich anzuführen. Ich hatte schon immer den Verdacht, dass die Katzen die Hälfte aller Intelligenztests, die sie machen, absichtlich verpatzen, und du hast dir bestimmt schon das Gleiche gedacht!« Honor kniff die Augen zusammen, und Allison kicherte. »Ich kann es ihnen nicht verübeln, und du sicher auch nicht. Himmel, Honor! Wenn ich so klein wäre wie sie und ein Haufen riesiger, hochtechnisierter Aliens würde meinen Planeten besetzen … ich würde bestimmt auch so tun, als wäre ich ganz klein und unschuldig und liebenswert kuschelig. Sie sind ja auch tatsächlich klein und liebenswert kuschelig«, fügte sie nachdenklich hinzu. »Aber wer einmal gesehen hat, was sie auf einem Selleriefeld anrichten – oder einem Menschen antun, der streng auf seinen Platz verwiesen werden muss –, der weiß, dass sie alles andere als unschuldig sind.«
»Nun … ja«, gab Honor zu. »So etwas habe ich auch schon immer vermutet. Warum weiß ich gar nicht genau. Ich hatte nur das Gefühl, dass sie in Frieden gelassen werden möchten und nicht untersucht und bespitzelt oder ihrer Lebensart entfremdet.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, warum sie sich so entschieden haben, aber ich kann mir gut vorstellen, dass du mit deiner Vermutung ganz richtig liegst. Eigentlich waren die Gründe der Baumkatzen mir aber gar nicht so wichtig. Sie wollten es so, und ich habe keinen Anlass gesehen, sie zu ändern.«
»Natürlich, denn es gab auch keinen. Ich glaube übrigens kaum, dass Nimitz oder eine andere Baumkatze einen Menschen adoptieren würde, der sie ändern will . Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht im Sternenkönigreich geboren wurde und darum nicht in dem Wissen aufwuchs, wie intelligent Katzen sind – oder nicht sind, was das betrifft. Aber ich war immer der Meinung, dass geborene Manticoraner und Gryphoner und sogar die Sphinxianer die Katzen aus einem Gefühl der Vertrautheit heraus unterschätzen. Wer adoptiert wird, tut das Gleiche wie du oder die Leute vom Forstdienst zu Hause: Sie geben ihr Bestes, um jede Untersuchung ins Leere zu lenken, durch die die Katzen behelligt oder zu etwas gezwungen werden, das sie nicht möchten.«
»Da hast du Recht«, sagte Honor. »Das tun wir, und manchmal wünsche ich mir, wir könnten immer so weitermachen. Ich denke, ich benehme mich da wie eine Mutter, die ihre Kinder aufwachsen sieht. Sie ist stolz auf sie und hofft, dass sie selbstständig werden und das Beste aus sich machen. Trotzdem denkt sie mit Nostalgie an die Kleinkinder zurück und erinnert sich daran, wie nett und neu und völlig abhängig sie damals von ihr waren.« Sie grinste schief. »Ich will damit nicht sagen, dass Nimitz je von mir abhängig gewesen wäre! Aber du weißt, wie ich das meine. Und ich glaube, ich empfinde deswegen noch ein wenig mehr bittersüße Gefühle, weil sie im Grunde genommen nie so ›klein‹ gewesen sind wie wir alle geglaubt haben.«
»Alle außer dir«, verbesserte Allison sie sanft und wischte Honors Protest beiseite, bevor sie ihn erheben konnte. »Ich habe dich mit Nimitz an dem Tag gesehen, an dem ihr euch begegnet seid. Du hast ihn zwar für eine wunderbare neue Entdeckung gehalten, aber niemals für ein Spielzeug oder Haustier. Du wusstest gleich, dass er ebenfalls eine Person ist, die nur zufällig anders aussieht als du. Ich glaube, du warst von seinen Fähigkeiten überrascht, aber du hast dich ihnen angepasst, ohne je das Gefühl zu haben, deine Vorherrschaft in euerer Beziehung durchsetzen zu müssen. Und sehen wir den Tatsachen ins Gesicht. So intelligent sie auch sein mögen, Baumkatzen brauchen die Führung einer menschlichen Hand, wenn sie unter Menschen überleben wollen. In diesem Sinne war Nimitz völlig von dir abhängig. In mancherlei Hinsicht ist er das noch immer – vor allem dann, wenn die Gefühle eines anderen Menschen ihm auf die Nerven gehen und ihn wütend machen. Meinst du etwa, ich hätte nicht bemerkt, wie du ihn dann besänftigst? Oder wie er dich beruhigt, wenn du dich mal wieder innerlich zerfleischst?« Sie schüttelte den Kopf. »Ihr beide teilt eine Partnerschaft, Honor. So ist es immer gewesen, und wie in allen andauernden Partnerschaften musst manchmal du für ihn da sein und manchmal er für dich. Ähnlich ist es zwischen Mutter und erwachsener Tochter«, fügte sie mit einem sanften Lächeln hinzu.
»Ich glaube, da hast du Recht«, sagte Honor nach einer Weile und lachte glucksend auf. »Für eine
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