Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
Gewalt über Ihre Zukunft und Ihre zukünftige Verwendung haben als Ihnen vielleicht bewusst ist. Sie müssen sich wappnen, damit richtig umzugehen.«
»Ich …« Honor verstummte erneut und zuckte mit den Schultern. »Ich nehme an, Sie haben Recht, Sir Thomas. Aus dieser Perspektive habe ich es noch gar nicht betrachtet.«
»Oh, ich glaube, Sie hätten diese Perspektive schon noch gefunden, und das mit allem Recht. Ich dachte nur, ich erwähne es noch einmal eigens, weil Sie sich das Ganze wirklich sehr genau überlegen sollten.«
Nun schwieg er, und Honor drehte sich ihm zu; sie sah ihn direkt an, denn sie spürte seinen Stimmungsumschwung. Er war plötzlich sehr tiefsinnig, und doch empfing sie Aufregung – eine Vorfreude –, in die sich jedoch ein schwacher Unterton von Furcht mischte. Er wandte sich ab und blickte erneut auf die Stadt hinaus, dann holte er tief Luft.
»Zusätzlich zu den Punkten, die wir bereits besprochen haben, Hoheit, wollte ich Ihnen noch etwas sagen. Das ist auch der Grund, weshalb ich Sie heute zu mir bestellt habe.« Er wandte sich ihr wieder zu, und sie hob höflich fragend die Brauen.
»Gestern habe ich Unternehmen Butterblume gestartet«, erklärte er, und sie setzte sich kerzengerade hin. Honor wusste Bescheid über die Operation. Alice Truman hatte am taktischen Hauptsimulator des TLF mehrere alternative Strategien mit Honor durchprobiert, und die Endfassung des Operationsplans trug unverkennbar Honors Handschrift.
»Alice Truman bricht nächste Woche nach Trevors Stern auf«, fuhr Caparelli leise fort. »Wenn Sie auf Grayson ankommen, sollte die Achte Flotte marschbereit sein. Im Augenblick haben wir die Havies in einer Offensive gegen Grendelsbane Station gebunden, und ich musste einige Lenkwaffen-Superdreadnoughts abziehen, um die Station verteidigen zu können. Trotzdem haben wir die Kampfstärke erreicht, die im Operationsplan gefordert wird. Einige LAC-Geschwader sind noch feuchter hinter den Ohren, als mir recht ist, aber …«
Er hob leicht die Schultern, und aus seinen Gefühlen sprach jene Reue, die jeder gute Befehlshaber empfindet, wenn er seine Leute in die Gefahr schickt.
»Verstanden, Sir«, sagte Honor in einem genauso ruhigen Ton. Sie dachte an die Menschen in den Schiffen, die sie persönlich kannte und die an Unternehmen Butterblume teilnehmen würden. Scotty Tremaine und Horace Harkness. Alice Truman. Rafael Cardones, der nun einen von Trumans LAC-Trägern kommandierte, und Konteradmiral der Roten Flagge Alistair McKeon, einen ihrer Divisionschefs. Von diesen Namen abgesehen gab es noch Dutzende anderer, und sie empfand einen Anflug von Furcht – ein Widerhall des unleugbaren Wissens, dass in der Schlacht Menschen ihr Leben verlieren würden.
»Danke, dass Sie mich einweihen«, sagte sie schließlich und rang sich ein Lächeln ab. »Ich hatte bisher nicht begriffen, wie viel schwieriger es ist, Menschen in den Kampf zu schicken, wenn man selbst nicht mitgehen kann.«
»Das ist eine der schwersten Lektionen, die man lernen muss … zumindest muss man es hinnehmen«, stimmte Caparelli ihr zu und blickte wieder auf die Stadt. »Hier sitze ich an einem schönen Sommernachmittag, und da draußen« – er wies mit einem Nicken auf die dunkelblaue Himmelskuppel – »ziehen Hunderttausende von Menschen in die Schlacht, weil ich es ihnen befohlen habe. Letztlich trage ich für alles, was ihnen zustößt, die Verantwortung … aber von diesem Punkt an kann ich nichts daran ändern, was mit ihnen geschehen wird.«
»Was immer man Ihnen bezahlt, Sir, es reicht nicht«, sagte Honor, und er wandte sich ihr zu und grinste sie an.
»Hoheit, keinem von uns zahlen sie genug, aber wenn wir keinen Spaß verstehen, dann hätten wir eben nicht der Navy beitreten sollen.«
Aus seinem Munde das altehrwürdige Sprichwort der unteren Decks zu hören, überraschte Honor auf ganzer Linie, und sie kicherte los. Sie konnte nicht anders, und er grinste zufrieden, weil er das Schulmädchen in ihr hervorgelockt hatte. Sein Gesichtsausdruck machte es nur noch schlimmer. Sie brauchte mehrere Sekunden, bis sie sich wieder in der Gewalt hatte. Als Erstes bedachte sie ihn mit einem tadelnden Blick.
»Mir fällt noch das eine oder andere Klischee ein, das man auf Sie anwenden könnte, Sir Thomas. Keins davon wäre jedoch sehr schmeichelhaft, fürchte ich.«
»Na, was soll’s. Darüber darf ich mich wohl nicht wundern. Außerdem bin ich es mittlerweile gewöhnt, beschimpft zu werden.
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