Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
hinwegzusetzen, aber das tun Sie auf eigene Gefahr, denn Ihre Geschlossenheit wird zu Ende gehen – doch die Krone gibt es dann nach wie vor.«
Ein Augenblick vollkommener Stille folgte, und als High Ridge diese Stille brach, klang selbst er gelinde erschüttert.
»Ist das eine Drohung , Euer Majestät?«, fragte er fast ungläubig.
»Nein, sondern eine Gedächtnisstütze, Mylord. Sie sollten nämlich nicht vergessen, dass das Haus Winton seine Freunde kennt – und auch die, die nicht zu seinen Freunden zählen. Wir Wintons haben ein sehr gutes Gedächtnis, Baron. Wenn Sie es tatsächlich darauf anlegen, sich mir zum Feind zu machen – nun, das lässt sich einrichten. Ich würde Ihnen allerdings raten, noch einmal sehr sorgfältig darüber nachzudenken.«
»Euer Majestät, Sie können Peers des Reiches nicht einfach bedrohen und einschüchtern!«, brüllte High Ridge wütend; seine Maske war ihm zum ersten Mal entglitten. »Auch wir haben eine legitime Rolle und Funktion in der Regierung des Sternenkönigreichs! Unser gemeinsames Urteil wiegt mindestens so schwer wie das einer Einzelperson, ganz gleich, wer diese Einzelperson ist. Sie sind unsere Königin. Als Ihre Untertanen haben wir uns Ihre Wünsche anzuhören und zu erwägen. Aber Sie sind keine Diktatorin, und wir sind keine Sklaven! Wir handeln, wie wir es für richtig halten, unserer Einschätzung der innen- und außenpolitischen Lage gemäß, und jede Kluft zwischen uns und der Krone ist nicht von uns gegraben!«
»Dieses Gespräch ist zu Ende«, sagte Elisabeth und erhob sich. Sie zitterte vor Wut und war so erregt, dass sie den Unglauben in den Augen ihrer Gäste nicht bemerkte – den Unglauben darüber, dass sie das feierliche, für diesen Anlass vorgesehene Protokoll verletzte. »Ich kann Sie nicht an einer Regierungsbildung hindern. Senden Sie mir Ihre Kabinettsliste. Morgen Mittag möchte ich sie haben. Ich werde unverzüglich darauf reagieren. Aber …« – ihre Augen sandten ihnen nacheinander einen stechenden Blick – »vergessen Sie diesen Tag niemals. Sie haben Recht, Baron. Ich bin keine Diktatorin, und ich würde mich weigern, allein aufgrund Ihrer Dummheit und Arroganz diktatorische Maßnahmen zu ergreifen. Aber das brauche ich auch nicht, um mit Ihresgleichen fertig zu werden, und fertig sind wir miteinander. Es wird eine Zeit kommen, an dem Sie – Sie alle – den heutigen Tag zutiefst bereuen werden!«
Und damit wandte sie sich ab und stürmte aus dem Salon.
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»Sie haben abgelehnt, nicht wahr?«, fragte William Alexander vorsichtig, als Elisabeth III. in den Raum schritt. Der Blick, mit dem sie ihn bedachte, sagte mehr als Worte, und er zuckte erschöpft mit den Schultern. »Wir wussten es doch schon vorher, Euer Majestät. Wie die Opposition es sieht, hatte sie keine andere Wahl.«
»Wieso nicht?«, fragte eine andere Stimme.
Alexander wandte sich der Sprecherin zu. Dem Protokoll zufolge hatte Honor Harrington in diesen Stunden nichts in diesem Raum zu suchen. Herzogin oder nicht: Sie hatte der Regierung Cromarty nicht angehört und spielte offiziell keine Rolle bei der Bildung der Nachfolgeregierung. Doch nicht nur Elisabeth III. hatte sie hinzu gebeten, sondern auch Benjamin Mayhew, der sich so gut wie jeder Manticoraner der überragenden Bedeutung des Augenblicks bewusst war. Mayhews Situation war einfacher, denn die graysonitische Verfassung räumte ihm das Recht ein, seinen Kanzler zu bestimmen, und nicht einmal die Schlüssel konnten ablehnen, wen er ernannte. Elisabeths Autorität reichte nicht einmal annähernd so weit. Der manticoranische Premierminister musste laut Gesetz über eine Mehrheit im Oberhaus verfügen. Diese Erfordernis gehörte zu den Bedingungen, die von den ersten Kolonisten formuliert worden waren, um sich und ihren Nachkommen die Herrschaft über das Sternenkönigreich zu sichern. Im Gegensatz zu vielen Bedingungen aus jener Zeit hatte diese Verordnung überlebt. Schon früher waren manticoranische Monarchen gezwungen gewesen, einen unliebsamen Premierminister zu akzeptieren, und allesamt waren es sehr unerfreuliche Regierungszeiten gewesen. Die Krone war zu tief in die tägliche Regierungsarbeit verwickelt, als dass ein Machtkampf zwischen Monarch und Premierminister etwas anderes zeitigen konnte als ein Desaster. In aller Regel hielt sich die Winton-Dynastie an den Grundsatz, dass die Zeit für die Krone arbeite, und bemühte sich, Konflikte mit ungeliebten Premierministern zu
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