Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
jeden Widerstand im Oberhaus bezwingen würde – mit einem gewaltigen Rückhalt im Unterhaus, der uneingeschränkten Unterstützung der Krone plus dem Prestige, sich als großer Kriegsherr bewiesen zu haben. Die Freiheitler haben befürchtet, dass ihre Forderung nach Sozialreformen untergepflügt würden. Und die Progressiven wie die Konservativen hatten Angst, dass Elisabeth und Allen durchsetzen könnten, was jeder Winton seit Elisabeth I. zu erreichen hoffte: das Monopol des Oberhauses auf Vorlage des Haushaltsentwurfs zu brechen und ihm das Vorrecht zu nehmen, jede Erhebung in den Adelsstand durch die Krone abzulehnen. Obwohl sie sich im Grunde auf den Tod nicht ausstehen können, sehen die Oppositionsparteien im Moment nur eine Möglichkeit. Sie müssen zusammenarbeiten und dafür sorgen, dass weder Zentralisten oder Kronenloyalisten auch nur in die Nähe der Friedensverhandlungen kommen, wenn die Havies endlich kapitulieren. Damit sie sich den Verdienst einstecken können, den Krieg gewonnen zu haben … und nicht wir. Außerdem erhalten sie dadurch die Chance, den Zeitpunkt der nächsten allgemeinen Wahl zu bestimmen. Und Sie können davon ausgehen, dass sie vorher ein, zwei Jahre ihren Ruf wiederherzustellen versuchen und dem Wahlvolk genügend innenpolitische Bonbons unter die Nase halten.«
»Verstehe«, sagte Honor völlig ausdruckslos, und Elisabeth warf ihr ein unfrohes Lächeln zu.
»Willkommen im Reich der Parteipolitik, manticoranischer Stil«, sagte die Königin. »Ich entnehme einigen Dingen, die Benjamin mir vor meinem Aufbruch sagte, dass er eine ungefähre Ahnung hatte, wohin unsere Innenpolitik sich entwickelt. Ich kann es ihm kaum verdenken, wenn er sich Sorgen macht. Meiner Meinung nach könnte die Opposition noch nicht mal ein Zechgelage in einer Schnapsbrennerei organisieren. Trotzdem muss ich ihr erlauben, die nächste Regierung zu bilden. Was zur Folge hat, dass diese Kretins für das Sternenkönigreich Politik machen, also letztendlich für die gesamte Allianz, es sei denn, ich stelle mich öffentlich gegen sie und provoziere eine Verfassungskrise. Die könnte sich allerdings als gefährlicher erweisen, als wenn ich dieser unfähigen Bande aus eigennützigen, egozentrischen, machtbesessenen und hirnverbrannten Tölpeln freie Hand lasse!«
Honor zuckte zusammen. Elisabeth beherrschte ihre Rage kaum noch, und doch mischte sich etwas anderes hinein – eine unbändige, treibende Wut, genährt von einem inneren Schmerz, der eine tiefere Ursache haben musste als die bloße Abscheu vor dem Eigennutz der Opposition.
»Verzeihen Sie, Euer Majestät«, hörte Honor sich sehr sanft sagen, »aber das ist doch noch nicht alles. Nicht für Sie jedenfalls.«
Elisabeth riss die Brauen hoch, dann huschte ihr Blick zu Nimitz, der sich neben Ariel auf dem Ruhepolster zusammengekauert hatte. »Ja. Ja, Sie müssten das wohl spüren, nicht wahr?«, murmelte sie, und Honor nickte. Sie konnte kaum glauben, dass sie es wirklich ausgesprochen hatte, denn die Privatangelegenheiten der Königin gingen sie nichts an. Irgendetwas war an Elisabeths Schmerz, dass ihr keine Wahl gelassen hatte. Honor konnte unmöglich solch eine Verletzung spüren und sie dann ignorieren.
»Es gibt wirklich noch einen anderen Grund«, sagte Elisabeth. Sie erhob sich, streckte die Hände nach Ariel aus, nahm den Baumkater in die Arme und vergrub ihr Gesicht in seinem Fell. Er schnurrte sie lautstark an und strich ihr mit einer Echthand über die Wange, und sie holte tief Luft, bevor sie sich Honor und Alexander wieder zuwandte.
»Nur wenige Menschen wissen davon«, sagte sie zu ihnen, »und als Ihre Königin fordere ich von Ihnen Ihr Ehrenwort, dass niemand es je von Ihnen erfährt – nur in Ihrem Fall würde ich bei Benjamin IX. vielleicht eine Ausnahme machen, Honor.«
Ihr Gäste tauschten einen Blick, dann nickten sie und wandten sich ihr wieder zu. Elisabeth III. straffte ihre Schultern.
»Sie beide wissen, dass mein Vater bei einem Gravo-Skiunfall ums Leben kam. Sie wissen aber nicht, dass es gar kein Unfall war. Mein Vater fiel einem Mordanschlag zum Opfer.« Honor holte Luft; es kam ihr vor, als hätte ihr jemand kräftig in den Magen geboxt. »Er wurde im Auftrag gewisser manticoranischer Politiker ermordet, die gegen seine Militärpolitik waren … und letztendlich im Sold der Volksrepublik Haven standen«, fuhr Elisabeth mit gebrochener Stimme fort. »Man wollte eine Thronerbin im Teenageralter – mich – auf den
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