Honor Harrington 12. Die Raumkadettin von Sphinx
selbst diesbezüglich stellten sich bereits erste Zweifel ein.
Er war nicht besonders erfreut zu sehen, dass Robert Tye ihm sein besonders widerliches Grinsen schenkte – ein Grinsen, wie es der Experte für den Neuling parat hat. Tye hatte einen anderen Weg gewählt als er. Beide waren sie gleichzeitig aufgebrochen, doch augenscheinlich hatte der Kampfsportler es sich schon vor einer ganzen Weile am Tisch bequem gemacht.
Anton gönnte Tye jedoch lediglich einen kurzen, säuerlichen Blick, während er näher kam. Seine Aufmerksamkeit galt den beiden anderen Personen am selben Tisch: der einen, weil sie Anton faszinierte; der anderen, weil sie ihn verblüffte – ja, sogar erzürnte.
»Was zum Teufel machen Sie denn hier?«, verlangte er zu wissen. »… Lady Catherine«, fügte er ein wenig lahm hinzu.
Cathy setzte zu einer aufbrausenden Erwiderung an, doch Jeremy schnitt ihr das Wort ab.
»Hab ich’s nicht gesagt?«, sagte er ausgelassen. »Der gute Captain hat was für dich übrig, Mädchen.«
Die Bemerkung bewirkte, dass sowohl Anton als auch Cathy die Worte im Halse stecken blieben, die sie vielleicht gesagt hätten. Beide funkelten sie Jeremy zornig an, was dem Ex-Sklaven indes nichts auszumachen schien.
»Jemand, der die Wahrheit sagt, wird immer ausgegrenzt«, fügte er an Robert gewandt hinzu. »Meinen Sie nicht auch?«
Tye griff lediglich wortlos nach seinem Kaffee, doch verriet das Lächeln auf seinem Gesicht, dass er Jeremys Ansicht voll und ganz teilte. Anton und Cathy sahen einander an. Cathy schien ein wenig zu erröten. Anton nicht – seine Haut war ein wenig dunkler als ihr Elfenbeinteint –, doch richtete er sich steif auf und räusperte sich. »Ich mache mir nur Sorgen um die Sicherheit der Gräfin«, meinte er.
»Hab ich’s nicht eben gesagt?«, fragte Jeremy. »Warum sollte ein anständiger gryphonischer Highlander sich auch sonst einen Dreck um das Wohlergehen eines trägen Parasiten scheren?« Er zwinkerte Cathy zu. »Na … zumindest Parasit trifft zu. Sie können der Lady wohl kaum vorwerfen, sie sei träge.«
Es gelang Anton, sich zu beherrschen, indem er an seine Tochter dachte; teilweise mit Gedanken wie:
Soll der Teufel diesen Kobold holen!
Doch verbarg sich eine sanfte Belustigung hinter Antons Zorn. Er konnte nicht abstreiten, dass der unverschämte kleine Mann (der wirklich wie ein Kobold wirkte, sowohl aufgrund seiner Größe als auch aufgrund seines Benehmens) nicht ganz Unrecht hatte.
Eigentlich hat er einen Volltreffer gelandet , gestand Anton sich ein und richtete den Blick wieder auf die Gräfin. An diesem Morgen trug Cathy kein teures Kleid aus dünnem Stoff, sondern viel schwerere Kleidung – eine Hose und ein langärmeliges Hemd, wie es für außer Haus angemessen war. Augenscheinlich war die Kombination schon oft getragen worden und saß sehr bequem.
Cathy war in den Fünfzigern, wie Anton wusste. Allerdings war sie eine Prolong-Empfängerin der dritten Generation und sah so jugendlich aus wie alle Empfänger dieser Behandlung; und dieses Aussehen würde ihr noch für Jahrzehnte erhalten bleiben. Obgleich die meisten Leute wohl gemeint hätten, ihre Kleidung betone ihre große, schlanke Gestalt nicht genug, fand Anton, dass sie darin sogar noch bezaubernder aussah als in dem Kleid, das sie am Vorabend getragen hatte. Das praktische Outfit passte perfekt zu ihrem schlichten, offenen Gesicht. Jung, gesund, lebhaft – eine Frau, die das Leben in vollen Zügen genoss.
Er ertappte sich, wie er schluckte und um Worte rang.
»Ich machte mir wirklich Sorgen, Cathy«, murmelte er. »Das hier wird wahrscheinlich gefährlich.«
»Nicht für euch beide«, verkündete Jeremy. »Catherines Anwesenheit ist unerlässlich.« Er deutete freundlich auf den freien Stuhl am Tisch. »Setzen Sie sich, Captain Zilwicki. Es gibt Neuigkeiten – und eine Änderung im Plan.«
Diese Ankündigung vertrieb alle anderen Gedanken aus Antons Kopf. Er glitt auf den Stuhl und beugte sich über den Tisch, wobei er sich mit den Handballen am Tischrand abstützte. »Was für Neuigkeiten?« Seine beachtlichen Schultern, vor Sorge gestrafft, ließen seinen kantigen, knochigen Kopf wirken wie einen Felsblock auf der Spitze eines kleinen Berges.
Schließlich verwandelte sich Jeremys Grinsen in ein weit freundlicheres Lächeln. »Gute Neuigkeiten, Captain. Vorerst zumindest. Ihre Tochter ist den Entführern entkommen.«
Anton hatte die Luft angehalten. Nun stieß er schnaufend den Atem aus
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