Honor Harrington 12. Die Raumkadettin von Sphinx
bist du dir wirklich sicher, dass sich deine Vorgesetzten irren?«
Zilwicki biss die Zähne zusammen. Sein ohnehin schon eckiges Gesicht wirkte nun wie ein solider Eisenwürfel.
»Vertrau mir, Robert. Die Entführung sieht dem havenitischen Nachrichtendienst überhaupt nicht ähnlich. Und was hätten die Havies davon?« Sein Gesichtsausdruck änderte sich. Nicht dass die Härte aus seiner Miene wich, vielmehr wirkte er nachdenklicher als zuvor. »Durch meine Position im manticoranischen Nachrichtendienst kann ich den Havies nichts verraten, was ihnen wirklich nützlich wäre. Jedenfalls nicht nützlich genug, um dieses Risiko zu rechtfertigen.« Er strich sich mit der Hand übers Knie, als wolle er eine Fliege verscheuchen. »Der Admiral glaubt, die Havies wollen mich langfristig zur Platzierung von Falschinformationen zwingen. Was möglicherweise das Dämlichste ist, was dieser dämliche Kerl je von sich gegeben hat.«
Der Kampfsportler neigte den Kopf leicht zur Seite, wodurch er dem Captain indirekt zu verstehen gab, dass er dessen Anspielung nicht verstand.
»Robert, die Theorie des Admirals ist deshalb Humbug, weil eine solche Falschinformationskampagne immer auf einer stabilen Grundlage fußen muss. Solche Kampagnen brauchen Zeit – eine Menge Zeit. Man kann nicht plötzlich dem bekehrten Agenten befehlen, er solle den eigenen Nachrichtendienst mit Informationen überschütten, die irgendwie merkwürdig sind und anderen Erkenntnissen widersprechen. So etwas muss umsichtig und von langer Hand vorbereitet werden. Immer nur eine kleine Teilinformation auf einmal, bis – nach einigen Monaten oder oft auch Jahren – die Gegenseite schleichend ein verzerrtes Bild der Realität hat, ohne dass es irgendjemandem auffällt.«
»Gut, das verstehe ich.«
Zilwicki fuhr sich mit den Fingern durch das kurz geschorene, dicke schwarze Haar. »Die Tochter eines Mannes zu entführen und als Geisel zu missbrauchen ist so weit von einer ›stabilen‹ Grundlage entfernt, wie ich es mir nur vorstellen kann. Selbst wenn der betroffene Vater widerspruchslos gehorcht, wäre die Situation untragbar. Der Vater würde die Kampagne zu schnell vorantreiben und sie vermasseln oder sogar etwas noch Schlimmeres anstellen. Ganz zu schweigen davon, wie schwierig es ist, eine Geisel über einen langen Zeitraum festzuhalten, im Ausland, wo man sie nicht einfach in ein Gefängnis stecken kann. Und das müsste man tun, denn unter solchen Umständen würde der Vater regelmäßig Beweise dafür sehen wollen, dass sein Kind lebendig und wohlauf ist.«
Obgleich der Captain seine Stimme völlig unter Kontrolle hatte, trieb ihn die Nervosität dazu aufzustehen. »Man kann von den Havies sagen, was man will, Robert, aber dumm sind sie nicht. Die Tat ist völlig untypisch für sie, in fast jeder Hinsicht.«
»Und was sollen wir jetzt tun?«
»Ich fange mit meinen Kontaktleuten innerhalb der Chicago Police an«, knurrte Zilwicki. Er ging zum Beistelltisch und starrte das Stück Papier an, das darauf lag. Ein kaltes, beinahe grausames Lächeln stahl sich in sein Gesicht.
»Ist das zu fassen? Ein regelrechter Erpresserbrief ?« Er stieß ein bellendes, raues Lachen aus. »Geheimdienstprofis! Gütiger Gott, alles, was Hendricks darüber weiß, kann man auf dem Kopf einer Stecknadel niederschreiben. Oder auf seinen eigenen.«
Sein wildes Lächeln wurde breiter. »Offenbar haben diese so genannten Profis noch nie etwas von moderner Gerichtsmedizin gehört. Und das ist nur einer der Gründe, warum ich nicht glaube, dass die Havies dahinter stecken.«
Zilwickis Blick wanderte zur Wohnungstür. Die gleiche Tür, die am Vortag jemand geöffnet hatte, ohne die kleinste Spur eines gewaltsamen Eindringens zu hinterlassen. »Die Sache riecht förmlich nach Amateuren, die zu clever sind, als gut für sie ist. Öl gemischt mit Wasser. Der Erpresserbrief ist altmodisch. Trotzdem haben sie die modernen Sicherheitssperren der Tür spielend überwunden.
Stümper«, sagte er leise. »Sie hätten sie besser aufgebrannt. Hätte ein wenig länger gedauert, bei einer modernen Tür wie dieser. Aber so wie sie vorgegangen sind, hätten sie genauso gut noch einen Zettel hier lassen können, auf dem steht: Insiderjob . Wer auch immer sie sind, jemand vom Wartungspersonal des Gebäudekomplexes muss ihnen geholfen haben. Wenn die Chicago Police sich beeilt – und das wird sie –, gibt sie mir innerhalb von vierundzwanzig Stunden nicht nur die gerichtsmedizinischen
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