Honor Harrington 13. Ein neuer Krieg
tödlichste Feind der Menschheit war. Dieses Anwesen durfte sich behaglich über das sanft gewellte Gelände ausdehnen, und seine niedrigen Flügel, von denen keiner mehr als ein Obergeschoss hatte, schienen Besucher regelrecht einzuladen. Das Gebäude bestand aus Natursteinen und besaß noch die außerordentlich dicken Wände, wie die Kolonisten der ersten Welle sie gegen den rauen Winter in den nördlichen Breiten gebaut hatten. Es zeigte eine gewisse imponierende Präsenz, auch wenn der zentrale, älteste Block verriet, dass er geplant und errichtet worden war, bevor seine Besitzer geahnt hatten, dass sie einst Aristokraten sein würden. Er war kaum prunkhafter als ein außerordentlich großes, weitläufiges Bauernhaus. Die nachfolgenden Generationen hatten ihren Architekten bei jedem Ausbau klugerweise die strenge Order erteilt, die Erweiterung in Einklang zum alten, einfachen Gebäude zu planen. Andere Adelshäuser hatten weniger Weisheit bewiesen, und darum waren ihre Familiensitze oft ein stilistisches Durcheinander, eine architektonische Kakophonie.
Nicht jedoch White Haven. Das Haus war im Laufe der Jahre gewachsen, und dennoch eine Einheit geblieben; es weigerte sich, irgendetwas anderes zu sein. Modernere Landsitze – wie Harrington House – mochten auf den ersten Blick größer und prächtiger erscheinen, doch täuschte dieser erste Blick, denn White Haven wartete mit etwas auf, was kein Besitzer dieser modernen Anwesen kaufen konnte, so sehr er es sich mitunter auch wünschte: White Haven hatte Geschichte. Auf dem Gelände wuchsen Rasenflächen mit knöcheltiefen Soden, von Generationen von Gärtnern verhätschelt, und es standen dort altterranische Eichen, die an den Wurzeln anderthalb Meter durchmaßen und deren Setzlinge vier Jahrhunderte zuvor mit dem unterlichtschnellen Kolonistenschiff Jason von Alterde nach Manticore gekommen waren. Auf White Haven gab es dichtes, weiches Terramoos, unfasslich verflochtene Hecken und Dickichte aus Kronenblütenbüschen und Flammenkorn, die sich um Picknicktische, kleine Pavillons und halb versteckte Terrassen mit Steinfliesen rankten. White Haven saß an seinem Platz und wisperte jedem zu: Ich war schon immer hier und werde immer hier sein.
Auf Grayson gab es Bauwerke wie den Protectorenpalast, die noch älter waren und das gleiche Fluidum hohen Alters besaßen. Wie jedes andere Gebäude auf Grayson war der Protectorenpalast jedoch ein Bollwerk gegen die Welt, auf der es stand. Es gehörte zu ihr und war doch auf immer von ihr getrennt. Wie das Haus von Honors Eltern auf Sphinx trug White Haven sein Alter wie ein bequemes Gewand, wenngleich in einem weit größeren Maßstab. Diese Aura war Honor vertraut, und obgleich White Haven auf seine eigene Art eine Burg war, so trotzten seine Befestigungen nicht dem Planeten auf dem es stand, sondern unliebsamer, von Menschenhand geschaffener Drangsal.
Obgleich Honor alles andere als freiwillig hier war, spürte sie unweigerlich die lebendige Präsenz von Hamish Alexanders Haus, die sie willkommen hieß, und am liebsten hätte sie darauf geantwortet. Doch sosehr sie sich nach der Geborgenheit dieses Hauses sehnte, so genau wusste sie doch, dass es niemals ihr gehören könnte. Und während Simon Mattingly die Fluglimousine sanft auf das Landefeld absenkte, überflutete Honor eine neue, noch entmutigendere Welle von Trostlosigkeit.
Hamish stieg von seinem Sitz, Samantha in die Arme geschlossen, und sein leicht gezwungenes Lächeln lud Honor ein, ihn aus der Limousine zu begleiten. Sie war dankbar, dass er ihr überflüssige Höflichkeiten ersparte, und es gelang ihr, sein Lächeln zu erwidern.
Honor hielt Nimitz in den Armen, statt ihn wie üblich auf der Schulter zu tragen. Sie benötigte den zusätzlichen Körperkontakt, das Gefühl besonderer Verbundenheit, und sie klammerte sich daran, während sie mit White Haven auf eine Seitentür zuging, dicht gefolgt von LaFollet, Mattingly und Hawke.
Als sie näher kamen, öffnete sich die Tür, und ein Mann, der eine gewisse Verwandtschaft zu James MacGuiness ausstrahlte, blickte hinaus und verbeugte sich zum Gruß.
»Willkommen daheim, Mylord«, sagte er zu White Haven.
»Danke, Nico.« White Haven erwiderte den Empfang mit einem Lächeln. »Das ist die Herzogin von Harrington. Ist Lady Emily im Atrium?«
»Das ist sie, Mylord«, antwortete Nico und verbeugte sich förmlich vor Honor. Die Gefühlslage des Butlers war kompliziert; seine tiefe Loyalität zur Familie
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