Honor Harrington 13. Ein neuer Krieg
durchfuhren Honor die Gefühle der Baumkatze wie ein weiterer Hurrikan. Unzählige Male hatte sie Samanthas Präsenz gespürt – das ›Geistesleuchten‹, wie die 'Katzen es nannten, seit sie die Zeichensprache erlernt hatten –, aber noch nie hatte sie es so wie jetzt gespürt. Niemals derart intensiv und machtvoll. Das Geistesleuchten wogte donnernd hin und her unter Samanthas Schock und Erkenntnis – und einer verzehrenden, singenden Freude, einer erstaunten Entdeckung.
Zu viel geschah auf einmal, zu viele unmöglich zu erfüllende Forderungen wurden gestellt, als dass Honor hätte begreifen können, was vor sich ging. Sie spürte aber, dass Samantha nach Kontakt suchte. Mental die Echthände ausstreckte. Für das, was die 'Katz im Augenblick tat, gab es in keiner einzigen Menschensprache ein Wort. Honor wusste, dass sie es nicht einmal sich selbst je wirklich erklären könnte, und doch erhielt sie eine winzige Vorwarnung, ein kurzes Aufblitzen des Bewusstseins. Es währte gerade lang genug, dass sie aufschrie, obwohl sie hinterher nicht mehr sagen konnte, ob es ein Ausruf des Protests oder des Entzückens gewesen war.
Das spielte auch keine Rolle. Was geschah, hätte sie ebenso wenig aufhalten können, wie sie Manticore auf seiner Umlaufbahn stoppen konnte. Nichts konnte es verhindern, und durch drei Augenpaare – ihre eigenen, Nimitz' und vor allem Samanthas – beobachtete Honor, wie Hamish Alexander den Kopf der Baumkatze zuwandte. In seinen eisblauen Augen blitzten Erstaunen und Unglaube auf, dann streckte er eine Hand aus, während Samantha mit einem hohen, gellenden Freudenblieken vom Boden absprang und in seinen Armen landete.
12
»Wie konnte das geschehen?«
Es war der erste zusammenhängende Satz, den Hamish Alexander in den letzten zehn Minuten hervorgebracht hatte. Er wiegte die heftig schnurrende Baumkatze in den Armen, als wäre sie das Kostbarste im Universum, und aus seinen blauen Augen leuchtete Unglaube und ein taumelndes Willkommen, während er sie anstarrte. Er wusste, was geschehen war. Niemand, der so viel Zeit mit Honor und Nimitz – und mit Samantha – verbracht hatte wie er, hätte eine Adoptionsbindung nicht erkannt, wenn er sie beobachtete. Doch zu wissen, was geschehen war, und es zu begreifen, waren zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.
Honor musterte ihn, während in ihr noch immer ihre eigene geschockte Ungläubigkeit toste. Im Gegensatz zu White Haven gehörte sie zu den größten lebenden Autoritäten, was Baumkatzen anging. Im Laufe der Jahrhunderte waren mehr Harringtons von Baumkatzen adoptiert worden als Angehörige irgendeiner anderen Familie, und Honor hatte in ihrer Kindheit – besonders nach ihrer eigenen Adoption – sehr viel in den Tagebüchern ihrer adoptierten Vorfahren gelesen. Einige davon enthielten Spekulationen und Theorien, die niemals öffentlich diskutiert worden waren, ganz zu schweigen von einem konkurrenzlosen Schatz an Beobachtungen aus erster Hand. Darüber hinaus waren Nimitz und Samantha die ersten Baumkatzen, die die Zeichensprache gelernt hatten, und Honor hatte seither endlose Stunden ihren faszinierenden Erklärungen der Baumkatzenkultur und ihrer Gebräuche ›gelauscht‹, die auch ihre Vorfahren nur von außen hatten beobachten können.
Und das war nur ein Grund – unter allzu vielen – für ihren Schreck. Nach ihrem besten Wissen war noch nichts dergleichen je geschehen. Normalerweise erkannten 'Katzen ›ihre‹ Gefährten innerhalb von Sekunden, höchstens Minuten, nach der ersten Begegnung. Nur in ganz besonderen Fällen war dies anders – wie etwa dem von Prinzgemahl Justin und Monroe, dem 'Kater, der zuvor Elizabeth' Vater adoptiert hatte. Monroe war so gut wie komatös gewesen, niedergeschmettert von König Rogers Tod, als Justin nach dem Attentat zum ersten Mal in seine Nähe gekommen war. Monroe hatte überhaupt nichts wahrgenommen, nicht einmal die trauernde Familie seiner ermordeten Person, bis der Verräter, der für den Tod des Königs verantwortlich gewesen war, törichterweise in seine Nähe kam, um auch Justin zu ermorden. Die intensive emotionale Belastung, die der 'Kater und der zukünftige Prinzgemahl teilten, während sie den Angriff des Mörders abwehrten, hatte Monroe vom Rand des Untergangs zurückgerissen und das Adoptionsband zwischen ihnen geschmiedet.
Doch solange eine Baumkatze, die eine Bindung eingehen wollte, nicht gerade an der Schwelle des Todes stand, erkannte sie stets die
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