Honor Harrington 13. Ein neuer Krieg
Gegenteil zu Honors schlanker, breitschultriger, muskulöser Physis. Während Honor dunkelhaarig und dunkeläugig war, hatte Lady Emily so goldenes Haar wie Alice Truman, und ihre Augen waren von einem tiefen Smaragdgrün. Sie sah aus, als würde schon ein zarter Windstoß sie aus dem Sessel heben und davontragen, denn sie konnte nicht mehr als vierzig Kilogramm wiegen, und ihre Hände waren langfingrig, schmal und zart.
Und noch immer war sie eine der schönsten Frauen im ganzen Sternenkönigreich.
Das lag nicht nur an ihrem Gesicht oder ihren Augen, an ihrem Haar oder ihrer Knochenstruktur. Jeder, der so wohlhabend war wie sie, hätte in einer Zeit, in der Bioskulptur und kosmetische Gentherapie alltäglich waren, ein solches Aussehen erlangen können. An Lady Emily Alexander jedoch war mehr, eine innere Eigenschaft, die sie während ihrer Zeit als Schauspielerin an die Kamera hatte vermitteln können und die sie weitaus stärker ausstrahlte, als man es durch ein elektronisches Medium je hätte übertragen können. Diese Eigenschaft berührte jeden Menschen, der in ihre Nähe kam, und als Honorx sie spürte, durch Nimitz verstärkt und vervielfacht, begriff sie sehr genau, weshalb Nico der Gräfin so tief ergeben war.
»Emily« – White Havens Stimme klang tiefer als gewöhnlich –, »gestatte mir, dir die Herzogin von Harrington vorzustellen.«
»Willkommen auf White Haven, Hoheit.« Die Stimme war nur noch ein heiserer Schatten des warmen, fast schnurrenden Alts, mit dem sie einst so viele HD-Zuschauer bezaubert hatte, enthielt jedoch noch immer mehr als nur einen Hauch der alten Kraft. Die Gräfin streckte Honor eine zierliche Hand entgegen.
Die einzige Hand, die sie noch bewegen kann , erkannte Honor, trat vor und ergriff sie. »Ich danke Ihnen sehr, Lady White Haven«, sagte sie leise, und ihr Dank war aufrichtig und tief empfunden, denn Lady Emilys Willkommensgruß enthielt keinerlei Zorn oder Hass. Traurigkeit hingegen schon – einen gewaltigen, bodenlosen Kummer und eine Vorsicht, die fast an Honors Wachsamkeit heranreichte. Aber keinen Zorn. Zumindest keinen Zorn, der sich gegen Honor richtete. Lady Emily empfand nämlich durchaus eine tiefe, sengende Wut, doch sie wies auf ein anderes Ziel: auf die skrupellosen Männer und Frauen, die nicht nur Honor und Hamish, sondern auch sie selbst zu ihrem politischen Vorteil benutzt hatten.
»Sie sind nicht so groß, wie ich nach den Talkshows und Nachrichtensendungen erwartet hatte«, stellte Lady Emily mit mattem Lächeln fest. »Ich dachte, Sie müssten wenigstens drei Meter groß sein, und hier sind Sie und bringen es nur auf zweieinhalb.«
»Ich glaube, auf dem HD-Schirm sehen wir alle größer aus, Mylady.«
»Das ist wohl wahr.« Lady Emilys Lächeln wurde breiter. »Bei mir war es jedenfalls immer so«, fuhr sie fort, und ihrem Ton und ihren Emotionen war keinerlei selbstmitleidige Sehnsucht nach jenen ewig dahingegangenen Tagen anzumerken. Sie neigte den Kopf – außer dem rechten Arm das einzige Körperteil, das sie bewegen konnte –, und sie sah nachdenklich zu Honor hoch.
»Sie machen den Eindruck, als wäre es für Sie schlimmer gewesen, als ich geglaubt hatte«, sagte sie ruhig. »Das bedaure ich ebenso wie die Tatsache, dass wir uns unter solchen Umständen kennen lernen müssen. Doch je mehr ich darüber nachgedacht habe, desto klarer wurde mir, dass es für uns lebenswichtig ist zu entscheiden, wie wir auf diese … Leute reagieren wollen.«
Honor blickte ihr in die leuchtenden grünen, verständnisvollen Augen und spürte, während sie das aufrichtige Mitgefühl im Kern von Emily Alexander schmeckte, wie in ihr etwas nachzugeben begann. Sie merkte der Gräfin auch Groll an. Sie musste Groll empfinden, denn so besonders Emily Alexander auch war, sie blieb ein menschliches Wesen. Und keine Frau, die für immer an den Lebenserhaltungssessel gefesselt war, hätte es geschafft, eine jüngere Frau neben dem eigenen Mann stehen zu sehen, ohne diese zugleich um ihre körperliche Gesundheit und Vitalität zu beneiden. Doch dieser Neid war nur ein Aspekt von Emilys Empfindungen beim Anblick Honors, und ihr Verständnis, ihre Ablehnung jeder Vorverurteilung und Verdammung empfing ihre Besucherin wie eine tröstende Umarmung.
Lady Emily kniff leicht die Augen zusammen und spitzte den Mund. Dann sah sie Hamish an und zog die zierliche Augenbraue hoch, als sie die Baumkatze in seinen Armen entdeckte. Sie wollte etwas sagen, hielt jedoch inne und
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