Honor Harrington 13. Ein neuer Krieg
bisschen? « Kare starrte ihn ungläubig an. »Sie haben mich wie einen geltungsbedürftigen, selbstsüchtigen Irren klingen lassen, der verkünden will, dass er das Letzte Geheimnis des Universums entdeckt hat! Ich habe fast ein ganzes T-Jahr gebraucht, um alles wieder ins Lot zu bringen, und trotzdem glaubte die Hälfte meiner Kollegen beim letzten astrophysikalischen Kolloquium in der Royal Society, ich hätte diese hirnrissigen Presseverlautbarungen verbrochen!«
Reynaud setzte zu einer Erwiderung an, besann sich jedoch eines Besseren. Er konnte Kare nicht widersprechen, denn er war davon überzeugt, dass der Astrophysiker auf ganzer Linie Recht hatte. Vorfälle wie dieser waren der Hauptgrund, weshalb Reynaud solch große Einwände gegen die Regierungsbeteiligung an der RMAIA hatte. Die Arbeit war sehr wichtig, ja lebenswichtig, und es mussten ein Dutzend Forschungsschiffe finanziert werden, darüber hinaus Labors und Computerzeit, und nur wenige Privatkonzerne hätten sich solche Posten leisten können. Doch soweit es die gegenwärtige Regierung betraf, war das Projekt nichts weiter als ein großes Vehikel der Öffentlichkeitsarbeit. Nur deshalb hatte sie das Amt gegründet, anstatt einfach den Etat des Vermessungskommandos im Astro-Lotsendienst zu erhöhen, das seit Jahrzehnten nach dem siebten Wurmlochterminus suchte. Die RMAIA war mit großem Fanfarengetön als eine der ›längst überfälligen friedenswahrenden Institutionen‹ ins Leben gerufen worden, deren Gründung durch den Krieg gegen Haven herausgezögert worden war. Doch die Wirklichkeit unterschied sich ein wenig von der glänzenden Fassade, mit der sich die Regierung solche Mühe gab.
Nichts hätte die Berechnung hinter der ›friedenswahrenden Institution‹ offenkundiger machen können als die unverhohlene Art, mit der die Politikos versuchten, aus der Arbeit des wissenschaftlichen Personals Publicity zu gewinnen. Offizielle Sprecher, die ›vergaßen‹, ihr Manuskript mit Kare oder Reynaud abzustimmen, waren schon schlimm genug, aber wenigstens konnte man ihnen für ihre Sünden eins auf den Deckel geben. Bei den politischen Oberherren des Projekts wie High Ridge und Lady Descroix hingegen sah die Sache anders aus, und genau diese beiden waren es, über die sich Kare vor allem ereiferte.
»Ich stimme zu, dass wir den Deckel zuhalten müssen, bevor wir etwas Definitives berichten können«, sagte der Admiral schließlich. »Ich nehme an, Sie haben Ihren Leuten gesagt, dass sie die Klappe halten sollen?«
»Beim Forschungspersonal geht das ja«, entgegnete Kare. »Das Problem kommt immer aus der Ecke der Verwaltung und Finanzierung.«
Reynaud nickte. Die im Projekt beschäftigten Wissenschaftler teilten Kares Meinung über die PR-Leute fast einmütig. Einige von ihnen hätten es wahrscheinlich sogar mit deutlicheren Worten ausgedrückt als der Professor. Die RMAIA stöhnte indes unter einer gewaltigen Last schriftlicher Formalitäten, was der andere Hauptgrund dafür war, dass Reynaud meinte, die Regierung hätte besser jemand anderem als ihm die Amtsleitung übertragen. Im Astro-Lotsendienst, der trotz seiner militärischen Hierarchie einer Zivilbehörde oblag, war der Papierkram schlimm genug gewesen, bei der RMAIA jedoch war es ungleich schlimmer. Die Schreibtischtäter der Regierung (die etwa drei Prozent von Kares Fähigkeiten hatten und nur halb so intelligent waren wie er) bestanden nicht nur darauf, seine Anstrengungen zu ›lenken‹, sie beharrten auch auf einem Grad an Beaufsichtigung, durch den sich nach Reynauds Schätzungen der Zeitbedarf des Projekts verdoppelte. Wissenschaftler, die sich der Forschung widmen sollten, verbrachten wenigstens die Hälfte ihrer Arbeitszeit damit, endlos lange Formblätter auszufüllen, Aktennotizen zu lesen und zu schreiben und Verwaltungskonferenzen abzuhalten, die überhaupt nichts mit dem Auffinden von Termini an Wurmlochknoten zu tun hatten. Fast ebenso schwer wog, dass die Projektleiter nicht nur wissenschaftlich ahnungslos, sondern zudem allein aufgrund von politischen Verbindungen ernannt worden waren, wodurch ihre Loyalität in erster Linie den Politikern galt, denen sie ihre prestigeträchtigen, gut bezahlten Stellungen verdankten. So war es zum Beispiel bei Dame Melina Makris, der Repräsentantin des Schatzkanzlers im Verwaltungsrat der RMAIA. Obwohl sie technisch zu den Leuten der Gräfin von New Kiev gehorte, wusste jeder, dass der Premierminister sie persönlich ernannt hatte.
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