Honor Harrington 13. Ein neuer Krieg
–, die sie beide daran gehindert hatte, sich gegenseitig ihre Gefühle füreinander einzugestehen, war niedergerissen worden. Nun wussten sie beide genau, was der andere empfand, und auch wenn sie sich nach wie vor den Anschein gaben, es sei anders, wurde dieser Anschein doch mit jedem Tag löchriger und fadenscheiniger.
Es war so dumm … und wohl auch so menschlich, vermutete sie, obwohl ihr diese Feststellung nicht den geringsten Trost bot. Sie waren beide reife Erwachsene. Und so unvollkommen sie sich auch oft vorkamen, ihr Pflichtgefühl und ihr persönlicher Ehrenkodex war weit stärker ausgeprägt als bei den meisten Menschen. Eigentlich hätten sie dazu imstande sein müssen, sich ihre Gefühle einzugestehen. Sie hätten sich damit abfinden müssen, dass niemals etwas daraus entstehen würde. Auch wenn es ihnen wohl nicht möglich war, der Tatsache unversehrt den Rücken zu kehren, sollten sie doch verhindern können, dass sie ihnen ihr Leben zerstörte!
Aber das ging nicht.
Honor wollte so gern glauben, dass ihre Schwäche eine direkte Folge ihrer Fähigkeit war, Hamishs Gefühle zu spüren. Vielleicht stimmte das sogar zum Teil. Sie spürte die Liebe und das Verlangen, die ihm entströmten, egal, wie sehr er es zu verbergen suchte, und wie konnte da irgendjemand von Honor erwarten, dass sie nicht darauf reagierte? Zum ersten Mal in ihrem Leben begriff sie wirklich, was die Motte näher und immer näher an die alles verzehrende Hitze der Kerzenflamme lockte. Oder was Baumkatzen dazu bewegt hatte, sich vor dem Prolong an Menschen zu binden, obwohl sie wussten, dass sie ihre Lebenserwartung dadurch halbierten. Vielleicht hätte sie sich von ihren Gefühlen für Hamish abwenden sollen, doch es war ihr im wahrsten Sinne des Wortes unmöglich.
Und dann war da noch Samantha.
Der Sphinxianische Forstdienst hatte auf Honors Anfrage hin in seinen Akten recherchiert, und der Bericht bestätigte Honors Vermutungen. Nicht ein einziger Fall war bekannt, in dem beide Hälften eines Baumkatzenpaars sich an Menschen gebunden hatten – vor Nimitz und Samantha. Zwar hatte es bereits Paare gegeben, bei denen eine 'Katz einen Menschen adoptiert hatte, doch war in diesen äußerst seltenen Fällen nur ein einziger Mensch beteiligt gewesen. Bisher hatte noch nie eine 'Katz zwischen Zwei-Beinen wählen müssen, die nicht zusammen waren oder nicht zusammen leben konnten. Und daher hatte auch noch keine Baumkatze die Möglichkeit einer dauerhaften Trennung von entweder Gatten oder Adoptivmenschen in Betracht ziehen müssen.
Da Honors Situation einzigartig war, gab es auch keinen Präzedenzfall, an dem man sich hätte halten können. Doch nun hatten Nimitz und Samantha wie schon so oft ihre eigenen Präzedenzen geschaffen, ohne auch nur einen Blick auf Geschichte und Tradition zu verschwenden.
Manchmal wunderte sich Honor, was wohl geschehen wäre, wenn Harold Tschu nicht in Silesia gefallen wäre. Hätte sich Hamishs Verhältnis zu ihr dann auch so drastisch gewandelt? Hätten sie und Harold sich unvermeidlich zueinander hingezogen gefühlt? Obwohl das gewiss möglich war, bezweifelte Honor, dass es geschehen wäre. Harold war ein feiner Kerl gewesen, und sie hatte ihn respektiert, aber er war ihr Untergebener gewesen. Zwischen ihnen hatte ein dienstliches Verhältnis bestanden, nicht mehr, und so weit Honor es sagen konnte, hatten sich die Bindungen zwischen ihren 'Katzen nicht auf ihr gegenseitiges Verhalten ausgewirkt. Dass er je mehr hätte sein können als ein Freund, der menschliche Gefährte von Nimitz' Gattin und der menschliche ›Onkel‹ ihrer Nachkommenschaft, war ihr erst in den Sinn gekommen, nachdem sein Tod jede Möglichkeit ausgelöscht hatte, dass es tatsächlich einmal so kommen könnte.
Doch das bedeutete für ihre gegenwärtige unerträgliche Situation gar nichts. Wie Emily herausgestellt hatte, blieb Honor und Hamish keine andere Wahl, als weiter zusammenzuarbeiten und so eng und … vertraut zu kooperieren wie vor den Attacken. Und dass Nimitz' Gattin sich an Hamish gebunden hatte, schlug in die gleiche Kerbe wie die politischen Erwägungen, die es ihr unmöglich machten, ihm aus dem Weg zu gehen. Auf keinen Fall konnte sie Nimitz von seiner Frau trennen, aber gerade die Intensität der Bindung zwischen den Baumkatzen machte Honor nur umso empfänglicher für alle romantischen Berührungspunkte zwischen ihr und Hamish.
Kein Wunder, dass Empathen es für Irrsinn hielten, wenn jemand abzuleugnen
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