Honor Harrington 13. Ein neuer Krieg
gegenüberstanden. Die Offiziere mit der meisten Erfahrung waren oft Legislaturisten und verschwanden zum Großteil in Pierres Säuberungen, ohne dass wir ihnen je im Gefecht gegenübergestanden hätten. Aber gegen diejenigen, mit denen wir es zu tun bekamen, wie Parnell – oder Alfredo Yu, als er noch in havenitischen Diensten stand –, war es alles andere als leicht. Und das trotz unseres technischen Vorteils.«
»Sie unterminieren Ihre eigene Argumentation«, wandte McKeon ein. »Wenn wir die übertrieben selbstbewussten Havies sein sollen und die Andys die unterschätzten, aber schneidigen Underdogs, dann dient es ja wohl kaum Ihrem Zweck, wenn Sie erwähnen, wie tüchtig Parnell und Yu gewesen sind, oder?«
»Eigentlich nicht. Selbst Parnell hat eindeutig unterschätzt, wozu wir in der Lage waren. Gerade dass er so gut war zeigt, wie rasch auch ein tüchtiger Offizier aufgrund der hohen Erfahrung seiner Leute unvorsichtig werden kann. Und genau davor wollen wir Sie ganz sanft warnen, Alistair.«
Sie lächelte engelhaft, und Truman schnaubte, als sie McKeons Gesicht sah.
»Erwischt!«, rief sie.
»Na schön. Na schön!«, kapitulierte McKeon. »Ich gebe zu, dass wir die zusätzliche Schulungszeit brauchen können, aber Spaß beiseite, es wurmt mich einfach gewaltig, dass ein manticoranischer Kampfverband sich durch die Hintertür einschleichen muss.«
»Das verstehe ich«, sagte Honor, »und Sie stehen mit dieser Ansicht auch nicht alleine da. Erinnern Sie sich aber an die neuesten Meldungen von Marsh, die schon drei Wochen alt waren, bevor wir das Manticore-System überhaupt verlassen haben. Ich möchte nicht provokanter auftreten als nötig. Wenn Kaiser Gustav wirklich plant, Silesia in einem aggressiven Handstreich zu nehmen, dann sollten wir ihm keine militärischen Vorwände liefern, die er ausnutzen kann. Und gleichzeitig besteht eine ernsthafte Wahrscheinlichkeit, dass es zu Feindseligkeiten mit dem Kaiserreich kommt. In dem Fall möchte ich nicht mit einem Kampfverband tief in kaiserlichem Gebiet festsitzen.«
»Das verstehe ich genau«, sagte McKeon, und nun zeigten sein Gesicht und seine Stimme keinerlei Heiterkeit. »Und ich widerspreche Ihnen eigentlich auch nicht. Das ist einer der Gründe, weshalb ich so sauer bin. Wir sollten uns über Provokationen nicht so viele Gedanken machen, dass wir fünfunddreißig Lichtjahre Umweg in Kauf nehmen, nur um der Möglichkeit auszuweichen. Sosehr ich mich deswegen auch beschwere, ich sehe durchaus, weshalb eine verantwortungsbewusste Stationschefin sich so entscheiden muss. Doch es zu verstehen bedeutet noch lange nicht, dass ich mich mit den Umständen abfinden muss, die dieses Vorgehen zur verantwortungsbewusstesten Lösung machen.«
»Nein«, stimmte Honor ihm zu, »und auf dieser Ebene sind wir einer Meinung. Trotzdem haben Alice und Wraith Recht, dass wir die zusätzliche Schulungszeit gut brauchen können.«
McKeon nickte, und Honor schmeckte, dass er die Gebärde ernst meinte und ihr wirklich zustimmte. Zwar tat er das ein wenig widerwillig, aber nicht, weil er ihre Position zurückwies. Vielmehr passten ihm die Gründe, aus denen die Besatzungen noch stärker gedrillt werden mussten, genauso wenig wie die Umstände, durch die Honor provokative Situationen vermeiden musste – oder Situationen, die als provokativ aufgefasst werden konnten.
Und er hat Recht , überlegte sie. Es ist absolut albern, dass die Queen's Navy in nur vier T-Jahren dermaßen außer Form geraten ist. Ich vermute, dass hat Hamish gemeint, als er von der ›Friedenskrankheit‹ gesprochen hat. Aber ich weiß verdammt genau, dass es niemals so weit gekommen wäre, wenn Baronin Morncreek noch Erster Lord und Sir Thomas Caparelli noch Erster Raumlord wären.
Aber wenn sie es sich richtig überlegte, war das wohl die eigentliche Crux daran. Jede militärische Organisation neigt ganz ausgeprägt dazu, sich die Haltung ihrer Oberbefehlshaber zu Eigen zu machen, und nun färbte die Selbstgefälligkeit und Arroganz der politischen Admiräle, die zur Zeit die Navy führten, auf einen leider sehr großen und ständig anwachsenden Anteil der Raumoffiziere ab. Der Personalabbau, den der Flottenabbau erforderte, hatte unverhältnismäßig stark die erfahrenen Leute getroffen, besonders die älteren Unteroffiziere und Mannschaften. Das erklärte das nunmehrige Problem zwar zum Teil, war aber keine Entschuldigung. Die zahlenmäßige Reduktion des regulären Offizierskorps war niedriger
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