Honor Harrington 13. Ein neuer Krieg
klar, dass ich deswegen nicht blind bin für die möglichen Folgen, die später eventuell auf uns zukommen könnten.«
»Und warum weisen Sie so beflissen darauf hin?«, fragte er in einem Ton, der, wie er bemerkte, für einen manticoranischen Premierminister schon fast ein wenig zu quengelig klang.
»Weil Reynauds Verhalten gegenüber Clarence meine Bedenken zur Kristallisation gebracht hat. Ich bin mir der Risiken von Anfang an bewusst gewesen, aber die Alltagsgeschäfte haben sie von ihrem Ehrenplatz auf meiner Liste der Dinge, über die ich mich sorgen muss, verdrängt. Wenn wir jetzt nicht anfangen, uns darüber Gedanken zu machen, dann werden wir später sehr viel Zeit damit verbringen, sie immer wieder zu überdenken.«
»Soll heißen?«
»Soll heißen, dass es Zeit ist, die Rettungsboote auf Lecks zu überprüfen. Wenn das Schiff sinkt, ist es dazu zu spät.« Sie gestattete sich, amüsiert über sein gereiztes Gesicht zu lächeln, beschloss aber, Gnade zu zeigen und endlich auf den Punkt zu kommen.
»Irgendwann wird irgendjemand sehr gezielt Fragen stellen, Michael. Dafür sorgt schon Elizabeth Winton, auch wenn es sonst niemand will. Deshalb ist mir in den Sinn gekommen, dass es ein guter Moment wäre, um mit der Anfertigung von Dokumentationen zu beginnen – Dokumente, anhand deren wir die Antworten belegen können, die wir später geben wollen.«
»Verstehe«, sagte der Premierminister langsam, lehnte sich zurück und musterte sie aufmerksam und voller Respekt. »Und wie sollen wir das anstellen?«, fragte er schließlich.
»Wir fangen damit an, dass jede kleine … finanzielle Unregelmäßigkeit zu unserer geschätzten Lordschatzkanzlerin und zu unserem verdienten Innenminister MacIntosh führt.« Sie seufzte. »Wie tragisch! Der Gedanke, dass solche selbstlosen Diener am Allgemeinwohl sich als so korrupt und unredlich erweisen, dass sie Regierungsmittel in Schmiergelderfonds und Stimmenkaufpläne umleiten! Und wie doppelt unglückselig, dass Sie durch Ihr Vertrauen in die wohlbekannte Rechtschaffenheit der Freiheitlichen Partei nicht rechtzeitig bemerkt haben, was davor sich ging!«
»Verstehe«, wiederholte er. Er hatte schon immer gewusst, dass Elaine Descroix so gefährlich war wie eine altirdische Kobra, doch selbst jetzt noch entsetzte ihn das Ausmaß ihrer Skrupellosigkeit.
»Selbstverständlich«, räumte sie fröhlich ein, »muss das in aller Stille vor sich gehen, und ehrlich gesagt weiß ich noch nicht, wie man es am besten angeht. Eine nachlässige Arbeit, die unsere Fingerabdrücke trägt, wäre völlig nutzlos, sogar gefährlich.«
»Da stimme ich Ihnen ganz gewiss zu!«
»Gut. Denn wenn das so ist, sollten wir uns damit an Georgia wenden.«
»Sind Sie sicher, dass Sie Georgia ganz in diese Sache einweihen möchten?« High Ridge wusste, dass man ihm seine Zweifel ansah, doch Descroix lächelte nur.
»Michael«, sagte sie geduldig, »Georgia hat schon Zugriff auf die North-Hollow-Dateien. Ich bin mir sicher, dort findet sich genügend Belastungsmaterial, um jeden zu vernichten, den sie vernichten möchte. Sie benötigt kein weiteres Wissen, um für uns zur Bedrohung zu werden. Außerdem haben Sie Georgia doch schon bestimmt ein halbes Dutzend mal für Dinge benutzt, deren Legalität von einem echten … Pedanten durchaus bestritten werden könnte. Mir kommt da auf Anhieb die Überwachung von Harrington und White Haven in den Sinn.
Worauf ich hinaus will: Sie weiß schon so viel über uns, dass sie uns hochgehen lassen kann. Sie kann es nur nicht, ohne sich selbst ebenfalls zu belasten. Das Gleiche gilt für Melina. Nach Reynaud ist sie das größte potenzielle Leck bei der RMAIA. Aber sie hat auch sehr gute Arbeit dabei geleistet, Marisa vor der bösen Wirklichkeit zu bewahren, und das heißt, wenn das Amt untergeht, reißt es sie mit.«
Descroix zuckte die Achseln. »Georgia und Melina haben beide sehr gute Gründe, dafür zu sorgen, dass jeder hässliche Verdacht von ihnen abgewendet und auf einen anderen gelenkt wird. Wenn ich Melina für hinreichend qualifiziert hielte, würde ich vorschlagen, dass die Angelegenheit ganz in ihren Händen bleibt. Leider traue ich ihr das nicht zu … wohingegen Georgia hinreichend bewiesen hat, wie versiert sie in solchen Dingen ist. In Anbetracht dessen, wie gut sie sich auf solche Dinge versteht, erscheint es mir wenig sinnvoll, noch einen Dritten hinzuzuziehen. Je mehr Leute wir einweihen, desto größer das Risiko, dass jemand sich
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