Honor Harrington 13. Ein neuer Krieg
betrachteten die Herzogin mit anderen Augen. Vielleicht lag es daran, dass Helen und ihr Vater im Gegensatz zu jenen, die Lady Harringtons ›Leichtsinn‹ verurteilten und als ruhmsüchtig ansahen, Zeit an einem Ort verbracht hatten, an dem jene Kritiker nie gewesen waren. Helen sprach mit ihren Klassenkameraden niemals darüber, fragte sich aber manchmal, wie sie wohl reagieren würden, wenn sie ihnen von ihren Erlebnissen auf Alterde erzählte. Oder wenn sie erwähnte, dass sie bereits drei Männer mit bloßen Händen getötet hatte, ehe sie fünfzehn T-Jahre alt geworden war.
Nein. Helen Zilwicki konnte besser als viele nachvollziehen, was Lady Harrington durch den Kopf gegangen war, als sie beschloss, bei einem Duell gegen einen Piratenanführer und dessen Leibwächter mit einem mehr als zwei Jahrtausende alten Stück Technik gegen moderne Schusswaffen anzutreten. Zugleich hätte Helen jedoch dieses Stück Technik zu gern einmal in Aktion erlebt – ein Wunsch, der ihrer jugendlichen Neugier entsprang.
Leider drohte sie bereits zu ihrem Kampfsportkurs zu spät zu kommen. Obwohl sie den an der Akademie bevorzugten Stil des Coup de Vitesse rasch gemeistert hatte, assistierte sie Chief Maddison beim Unterrichten des esoterischeren Handgemenge neuen Stils , das auf Neu-Berlin entwickelt worden war. Innerhalb des Sternenkönigreichs wurde dieser Kampfstil nicht viel praktiziert, doch Helen hatte ihn bei Sensei Robert Tye lernen dürfen, einem der erfahrensten Anwender auf Alterde. Trotz ihrer Jugend wurde sie dadurch zu einer Wissensquelle, die Chief Maddison bis auf Äußerste zu nutzen gedachte. Helen brachte anderen gern etwas bei, aber es kostete sie unleugbar Zeit. Und selbst wenn sie nicht fortgemusst hätte, sie hatte ihr anberaumtes Übungsschießen mit der Pistole schon absolviert und somit keinen Vorwand, noch auf dem Schießstand zu verweilen, bis Lady Harrington ihren ›Fünfundvierziger‹ auf die Zielscheibe richtete.
Verdammt.
»Mit Ihrer Erlaubnis, Hoheit?«, fragte sie, und Lady Harrington nickte.
»Gehen Sie nur, Ms Zilwicki«, sagte sie mit einem leisen Lächeln, und Helen begab sich im Laufschritt zu ihrem wartenden Ausbilder.
Breit grinsend blickte Honor der jungendlichen Raumkadettin hinterher. Sie mochte Ms Zilwicki. Überhaupt nicht überraschend, dass die junge Frau sich so gut machte – und das lag nicht nur daran, dass ihre Mutter, die ebenfalls Helen geheißen hatte, eine wahre Heldin gewesen war. Nur wenige Tapferkeitsorden waren schwerer verdient gewesen als der PMV von Captain Helen Zilvicki, und damals war ihre Tochter, die jüngere Helen, noch ein Kind gewesen. Der Grund, warum sich die Tochter so gut entwickelte, war bei ihrem Vater zu suchen, und in den letzten T-Jahren hatte Honor genauer als die meisten Menschen beobachten können, wie stark dieser Vater war. Er war auch der Grund, weshalb Helen nie daran zweifelte, ihre festgesetzten Ziele erreichen zu können.
Honor wünschte sich oft, sie hätte früher, als sie im gleichen Alter war, ein wenig von Helens Selbstvertrauen besessen, wenn dies das treffende Wort dafür war. Durch ihre empathische Verbindung zu Nimitz hatte sie von den Emotionen der jungen Frau genug gespürt, um sich recht sicher zu sein, dass Helen nie in gleicher Weise wie sie auf Pavel Youngs Versuch reagiert hätte, sie im Duschraum zu vergewaltigen. Nun, nach dem Versuch zumindest, verbesserte Honor sich. Während des Versuchs hätte sie sich zweifellos genauso verhalten wie Honor – ja, gemessen an ihren Noten im waffenlosen Kampf, hätte Helen sich womöglich sogar noch drastischer gewehrt als Honor. Doch später, nachdem sie Zeit gehabt hätte, über den Vorfall nachzudenken, hätte Helen nicht einmal in Erwägung gezogen, den Vorfall dem Kommandant der Akademie zu verschweigen.
Wäre ich in ihrem Alter mehr wie sie gewesen , sann Honor, dann wäre mein Leben ganz anders verlaufen. Und Paul wäre noch am Leben. Sie spürte das vertraute Verlustgefühl und die alte Trauer, und sie holte tief Luft.
Ja, er würde noch leben. Aber ich hätte Ihn nie kennen gelernt – jedenfalls nicht auf die gleiche Weise , erinnerte sie sich.
Sie gestattete sich noch einen Moment, in dem sie sich zu Gedächtnis rief, was Paul und sie einander bedeutet hatten, dann schob sie die Erinnerungen sanft beiseite und folgte LaFollet zur Theke des Schießstandchefs, um sich einzutragen.
Nach dem Buchstaben des graysonitischen Gesetzes hätte sie
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