Honor Harrington 14. Honors Krieg
Korridor tatsächlich unter Beobachtung gestanden hatte. Sie blickte Honor indes nur einen kurzen Moment an, dann nahm sie, wie ihr Untergebener, sehr genau LaFollet, Hawke und Mattingly in Augenschein. Die drei Graysons erwiderten die Prüfung mit gleichem fachmännischen Können, und Honor verkniff sich ein Grinsen, als sie schmeckte, wie sehr beide Seiten voreinander auf der Hut waren. Als der flüchtige Moment vorüber war, richtete sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf den kleinen Mann, der am Kopf des Konferenztisches saß.
»Willkommen an Bord der Campenhausen , Hoheit«, sagte Chien-lu von Ravenheim.
»Vielen Dank, Hoheit«, erwiderte Honor, und Ravenheim lächelte ganz leicht. Sie schmeckte seine Vorsicht, aber auch seine Neugierde. Weit wichtiger jedoch war, dass sie auch etwas spürte, was sehr an Vertrauen erinnerte. Darauf hatte sie gehofft. Ravenheim und sie hatten während Honors letztem Einsatz in Silesia ein gewisses persönliches Einvernehmen aufgebaut, das über eine rein berufliche Beziehung hinausging. Anscheinend gab es dieses Einvernehmen noch immer. Ravenheim war sich der Spannung, die durch die Umstände auf ihrem Treffen lastete, offenkundig bewusst, doch er vertraute Honors Integrität – zumindest so weit, dass er bereit gewesen war, sich mit ihr zu treffen.
»Ich muss zugeben«, sagte er, »dass ich ein wenig … überrascht bin über Ihr Kommen, Hoheit. Angesichts der Spannungen und der unglückseligen Dinge, die in letzter Zeit zwischen unseren Kommandos vorgefallen sind, hätte ich niemals mit einem direkten Gespräch auf dieser Ebene gerechnet.«
»Ich gestehe, dass ich darauf eigentlich gezählt habe, Hoheit«, entgegnete sie. Er neigte fragend den Kopf zur Seite, und sie lächelte. »Ich habe etwas Ungewöhnliches mit Ihnen zu bereden«, erklärte sie, »und ich hatte den Eindruck, auf diesem Wege am wirksamsten Ihre Aufmerksamkeit zu erregen.«
»Tatsächlich?«, brummte Ravenheim, und nun lächelte er. »Also, Hoheit, ich kann gewiss nicht garantierten, dass ich einverstanden sein werde mit dem, was Sie hierher führt. Trotzdem gebe ich zu, dass Sie meine Neugierde geweckt haben! Also, warum fangen Sie nicht einfach an?«
Er wies höflich auf den Stuhl am Fuße des Konferenztisches, und Honor nahm Platz und setzte sich Nimitz auf den Schoß.
»Gern, Hoheit«, sagte sie. »Ich bin mir natürlich darüber im Klaren, dass im Augenblick sehr starke Spannungen zwischen dem Kaiserreich und dem Sternenkönigreich herrschen. Ich will nicht behaupten, die Probleme zwischen uns wie durch Zauberhand klären zu können. Das muss letzten Endes auf höherer Ebene geschehen. Heute zählt allein, dass mir vor kurzem gewisse Informationen zugegangen sind. Und diese Informationen sollten, wie ich meine, unbedingt einem Vertreter des Kaiserreichs mitgeteilt werden. Vielleicht haben sie Auswirkungen auf die Aufstellung unserer beiden Verbände.«
»Informationen, sagen Sie?«
»Jawohl, Hoheit. Sie müssen wissen …«
23
»Nun, Zhenting, was halten Sie davon?«
Der Herzog von Ravenheim und sein Stabschef standen auf der Flaggbrücke der Campenhausen und beobachteten die funkelnde Lichtkennung von HMS Troubadour , während der manticoranische Superdreadnought konstant in Richtung Hypergrenze beschleunigte.
»Ich fand …« Kapitän lsenhoffer hielt inne und zuckte leicht die Achseln. »Ich fand, in mancherlei Hinsicht klang es sehr … günstig für die Herzogin von Harrington, Herr Großadmiral.«
»›Günstig‹?« Ravenheim ließ sich das Wort im Mund zergehen, legte den Kopf in den Nacken und sah zu dem größeren Isenhoffer hoch. »Eine interessante Wortwahl, Zhenting. Und nicht ganz unpassend, denke ich, aber trotzdem …« Er schüttelte den Kopf. »So ›günstig‹ es für sie in mancherlei Hinsicht sein mag, für die meisten anderen ist es doch höchst ungünstig. Mir fällt da die alte Wendung ›zwischen Hammer und Amboss stehen‹ ein.«
»Durchaus zutreffend, es sei denn, sie könnte uns überzeugen, nicht der Hammer zu sein – oder der Amboss, Herr Großadmiral«, entgegnete Isenhoffer in einem respektvollen, aber dennoch beharrlich skeptischen Ton.
»Vielleicht«, räumte Ravenheim ein, doch er klang, als habe er seine Zweifel. »Seine Kaiserliche Majestät dürfte jedoch von der Argumentation der Herzogin beeindruckt sein. Vorausgesetzt natürlich, dass die Beobachtungen, auf denen ihre Argumentation beruht, tatsächlich der Wirklichkeit
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