Honor Harrington 14. Honors Krieg
»Angenommen, die Haveniten wollen – oder hoffen zumindest –, dass wir und Manticore gegeneinander in den Krieg ziehen und dass einer von uns den anderen besiegt. In diesem Fall nehmen die havenitischen Strategen wohl an, dass nach diesem Krieg auch der Sieger, wer immer es sein mag, mit großer Sicherheit stark angeschlagen wäre, vielleicht sogar kampfunfähig. Und wenn dann die Republik rein zufällig eine neue, völlig frische Flotte in der Nähe hätte …«
Seine Stimme verlor sich, und Isenhoffer zog ein noch finstereres Gesicht.
»Herr Großadmiral, glauben Sie denn wirklich, die Republik Haven könnte ernsthaft erwägen, dem Sternenkönigreich und dem Kaiserreich gleichzeitig den Krieg zu erklären?«
»So gesehen erscheint die Vorstellung lächerlich«, gab Ravenheim zu. »Ihnen liegen aber doch die gleichen Geheimdienstmeldungen vor wie mir. Obwohl wir nicht in der Lage waren, die Abschirmung des Projektes ›Schlupfloch‹ zu durchbrechen, liegt es doch auf der Hand, dass Theisman und Pritchart eine wesentlich größere und modernere Flotte aufbauten konnten, als sie öffentlich zugeben. Vielleicht haben die Haveniten sogar noch mehr erreicht, als wir glaubten. Vergessen Sie nicht, dass sich die Politik der Legislaturisten jahrzehntelang nach einem Zeitplan gerichtet hat, auf dem zuerst das Sternenkönigreich, dann Silesia und dann das Kaiserreich standen. Warum sollten Pritchart und Theisman nicht wieder auf diese Politik zurückfallen, wenn sie der Ansicht sind, sie hätten die dazu erforderliche Flottenstärke?«
»Nichts, was irgendein Experte je gemeldet hat, deutet darauf hin, dass Präsidentin Pritcharts Gedanken sich in diese Richtung bewegen, Herr Großadmiral«, entgegnete Isenhoffer.
»Experten können sich irren. Womöglich noch wichtiger ist: Pritchart operiert nicht im luftleeren Raum. Mir war nie sehr wohl bei dem Ausmaß, in dem wir die interne Dynamik ihrer Regierung begreifen. Uns ist es schlichtweg unmöglich, alle kleinen Interessengruppen zu kennen, auf die sie vielleicht Rücksicht nehmen muss. Und auch wenn es ihr noch so widerstrebt hat, die Kampfhandlungen gegen Manticore wieder aufzunehmen – wie sowohl unsere Experten meinen als auch Pritcharts eigene Verlautbarungen zeigen –, so scheint sie sich doch dafür entschieden zu haben. Und wenn sie sich gedrängt fühlt, den Krieg weiterzuführen, dann erkennt sie wahrscheinlich auch die Gelegenheit, das traditionelle havenitische Ziel in diesem Sektor ein für alle Mal zu erreichen.«
»Die Möglichkeit existiert zweifellos, Herr Großadmiral«, sagte Isenhoffer langsam. »Sie kommt mir nur machiavellistischer vor, als ich es von Pritchart erwartet hätte.«
»Mir auch«, gab Ravenheim zu. »Um ehrlich zu sein, ich denke im Augenblick nicht gern über diese Möglichkeit nach. Trotzdem ist es möglich, dass Pritcharts demonstrative Betonung der innenpolitischen Reform von Anfang an eine Fassade gewesen ist.« Er verzog kopfschüttelnd das Gesicht. »Selbst jetzt, wo ich es selber ausspreche, fällt es mir schwer, so etwas von ihr zu glauben. Aber das führt mich gleich wieder zu der Tatsache zurück, dass ihr Außenminister uns hinter den Kulissen sein Einverständnis erklärt hat. Das ist fast, als würde er uns eine unerklärte Allianz gegen Manticore anbieten. Er kam zu Kaiserfest, nicht umgekehrt. Und während der ganzen Zeit, in der er seine ›Zusammenarbeit‹ mit Kaiserfest aufgebaut hat, hat er niemals angedeutet, dass havenitische Flottenverbände in Silesia stationiert werden könnten. Kein einziges Mal, Zhenting. Pritchart folgt eindeutig einem sorgfältig orchestrierten Plan, und ebenso eindeutig muss das Kaiserreich die havenitische Militärpräsenz in Silesia irgendwann entdeckten. Pritchart ist nicht dumm, denn ein Dummkopf hätte niemals erreicht, was sie erreicht hat. Warum also sollte sie mit dieser informellen Allianz auf uns zugehen, im nächsten Moment aber hinter unserem Rücken heimlich Flottenverbände in das Raumgebiet einschleusen, das zu annektieren ihr Außenminister uns ermutigt? Das kann doch nur den Zweck haben, diese Flottenpräsenz so lange wie möglich vor uns zu verschleiern. So lange, bis es für uns unmöglich ist, deswegen noch etwas zu unternehmen.«
»Aber so klingt es wenigstens … glaubhaft«, sagte Isenhoffer nach einer Weile. »Fahrlässig bis an den Rand des Irrwitzes – es sei denn, Haven hätte es geschafft, seine Flottenstärke auf ein Niveau auszubauen, das jede
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