Honor Harrington 18. Auf Biegen und Brechen
Admiral?«
»Ja, Madame Präsidentin, das ist richtig«, sagte Henke leise.
»Ich verstehe. Und ich weiß Ihre Offenheit zu schätzen. Dennoch unterstreicht gerade das die Natur unseres Dilemmas, nicht wahr?«
»Das nehme ich auch an.«
Schweigen senkte sich über das sonnenerhellte Krankenzimmer. Eigenartigerweise wirkte dieses Schweigen beinahe gesellig, bemerkte Henke. Nach vielleicht drei Minuten setzte sich Pritchart gerade, atmete tief ein und stand auf.
»Ich will Sie wieder Ihrer Genesung überlassen, Admiral. Die Ärzte versichern mir, dass Sie auf dem besten Weg sind. Sie rechnen mit völliger Wiederherstellung und sagen, dass Sie in einer Woche aus dem Lazarett entlassen werden können.«
»Und dann geht's ab ins Stalag?«, fragte Henke lächelnd. Mit einer Hand wies sie auf die unvergitterten Fenster des Krankenzimmers. »Ich kann nicht sagen, dass ich mich auf die neue Aussicht freue.«
»Ich denke, wir haben wahrscheinlich schon etwas Besseres zu bieten als eine Nissenhütte hinter einem Gewirr aus Bandstacheldraht, Admiral.« Pritcharts Topasaugen funkelten tatsächlich. »Tom Theisman hat sehr festgefügte Ansichten, was die angemessene Behandlung von Kriegsgefangenen betrifft – wie sich die Herzogin von Harrington vielleicht noch von dem Tag erinnert, an dem sie sich im Jelzin-System begegneten. Ich versichere Ihnen, dass wir unsere Kriegsgefangenen ohne Ausnahme gut behandeln. Und nicht nur das, ich hoffe, dass es sich ermöglichen lässt, regelmäßig Kriegsgefangene auszutauschen, vielleicht auf Ehrenwortbasis.«
»Wirklich?« Henke war erstaunt, und sie wusste, dass es sich in ihrer Stimme zeigte.
»Wirklich.« Pritchart lächelte ein wenig traurig. »Was auch sonst geschehen ist, Admiral, und wie gering Ihre Königin vielleicht von uns denkt, aber wir sind nicht Rob Pierre oder Oscar Saint-Just. Verstehen Sie mich nicht falsch, wir haben unsere Fehler. Aber ich denke, dazu gehört nicht die Fähigkeit zu vergessen, dass auch Feinde Menschen sind. Guten Tag, Admiral Henke.«
11
Die Pinasse trieb langsam an dem spindelförmigen Berg aus Panzerstahl entlang. Honor, Nimitz, Andrew LaFollet, Spencer Hawke, Rafael Cardones und Frances Hirshfield saßen auf ihren Plätzen und blickten aus den Armoplastfenstern. Das Beiboot erreichte den achteren Hammerkopf des Superdreadnoughts und bremste ab, bis es zum völligen Stillstand gekommen war, eine Kaulquappe neben einem schlummernden Wal.
Werftarbeiter in Hardsuits, Reparaturroboter und ein ungelenkes Netz aus Trägern und Arbeitsplattformen, angeordnet mit der erhabenen Verachtung der Mikrogravitation für das Konzept des ›Oben und unten‹, schlossen das Schiff ein, das vor den Sternen dahinzog. Starke Arbeitslampen beleuchteten die wimmelnde Aktivität der Reparaturmannschaften und ihrer robotischen Diener, und Honor runzelte nachdenklich die Stirn, während sie die emsige Energie betrachtete.
»Sieht ganz schön schrecklich aus, nicht wahr, Hoheit?«, fragte Cardones, und sie zuckte mit den Schultern.
»Ich habe schon viel Schlimmeres gesehen. Erinnern Sie sich noch an die alte Fearless nach Basilisk?«
»Oder die zwote nach Jelzin«, pflichtete Cardones ihr bei. »Trotzdem ist es, als liege das eigene Kind in der Notaufnahme.« Er schüttelte den Kopf. »Ich mag es gar nicht, sie in diesem Zustand zu sehen.«
»Sie sieht schon viel besser aus, Skipper«, entgegnete Hirshfield.
»Ja, das stimmt«, räumte Cardones ein und sah seinen Ersten Offizier an. »Andererseits gibt es noch viel Raum für Verbesserungen.«
»Wichtig ist, dass die Werftheinis sagen, Sie bekommen sie in sechs Tagen zurück«, sagte Honor und wandte sich von dem Fenster ab, um ihn anzusehen, »und das ist gut so. Nichts gegen Captain Samsonov, aber ich möchte meinen Flaggkommandanten wiederhaben.«
»Ich bin geschmeichelt, Hoheit. Aber selbst wenn ich sie zurückhabe, muss die Crew erst einmal kräftig üben, um den Rost loszuwerden.«
»Ach, ich habe Sie beobachtet, Rafe«, erwiderte Honor lächelnd. »Commander Hirshfield und Sie haben Ihre Leute die ganze Zeit, in der das Schiff in der Werft lag, in die Simulatoren getrieben. Natürlich brauchen Sie wenigstens ein paar Tage, aber ich bezweifle, dass Sie sehr viel Rost angesetzt haben.«
»Wir haben versucht, es zu vermeiden«, gab Cardones zu. »Und es war schon gut, dass wir das Schiff nicht komplett räumen mussten. Allein unsere Leute an Bord halten zu können war sehr hilfreich, und
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