Honor Harrington 19. Der Schatten von Saganami
entfernt war. Baranyai hatte bestätigt, dass einer der schweren Shuttles des Frachters fehlte, doch bislang fehlte von dem Beiboot jede Spur. Am Ende würde es schon irgendwo auftauchen, da war sich Helen ganz sicher. Wahrscheinlich irgendwo auf der Oberfläche von Pontifex, aufgegeben von denjenigen, die es benutzt hatten, um den Planeten zu erreichen. Wie die havenitischen Flüchtlinge es sich genau vorstellten, in einer derart isolierten Bevölkerung unterzutauchen, wusste Helen nicht zu sagen, aber sie sagte sich, dass der Versuch sicherlich den Alternativen vorzuziehen wäre.
»Beides, glaube ich«, sagte Ragnhild. »Aber hauptsächlich dachte ich an die Havies.«
»Die Havies sollen zur Hölle fahren«, sagte Aikawa so schroff, dass Helen ihn leicht überrascht ansah. »Wir haben doch beide mit Baranyai gesprochen, Ragnhild. Glaubst du denn ernsthaft, sie hätten nicht verdient, was immer sie bekommen?«
»Ich habe nicht gesagt, dass sie mir leid täten, Aikawa«, entgegnete Ragnhild. »Ich sagte nur, ich würde gern wissen, was aus ihnen wird.«
»Was immer ihnen blüht, es wird besser sein als das, was sie verdient haben«, brummte Aikawa und starrte auf die Hände, die er auf dem Tisch zusammenklammerte.
»Ich habe heute Nachmittag gehört, wie der Eins-O mit Commander Nagchaudhuri redete«, sagte Leo Stottmeister. »Der Captain wird President Adolfsson bitten, sie hier festzuhalten, zumindest vorerst.«
»Das leuchtet mir ein«, sagte Helen. »An Bord haben wir keinen Platz für sie!«
»Nein, das nicht«, stimmte Leo zu. »Trotzdem glaube ich nicht, dass es dem Captain nur darum ging.« Er sah sich am Tisch um, und alle erwiderten seinen Blick. »Der Eins-O sagte zum Commander, der Captain wird Admiral Khumalo empfehlen, Clignet, Daumier und alle ihre Leute an die Havies auszuliefern, zusammen mit dem ganzen Beweismaterial über ihre Aktivitäten, das wir sammeln konnten.«
»Ach du lieber Himmel!« Helen lehnte sich zurück, die Lippen halb zu einem plötzlichen Lächeln geöffnet. »Das ist aber . gemein«, sagte sie bewundernd.
Clignet hatte ein detailliertes persönliches Logbuch über die Aktivitäten seines >Geschwaders< geführt - eine Auswirkung des Größenwahnsinns, der ihn offenbar aufrichtig davon hatte träumen lassen, eines Tages die Volksrepublik in all ihrer niederträchtigen Glorie wiederauferstehen zu lassen. Liebevoll hatte er jede Prise niedergelegt, die er gekapert hatte, mitsamt Namen, Registrierung und Fracht. Er hatte die Profite aufgezeichnet, die das Geschwader durch die Verkäufe erzielte, mitsamt der Sonnensysteme, in denen die Geschäfte abgewickelt worden waren, und sogar der Namen der Mittelsmänner, durch deren Hände die Waren gegangen waren. Auch jeder Kontakt zu anderen abtrünnigen havenitischen Einheiten und der >Exil-Befreiungsfront<, die sich zwischen ihnen gebildet hatte, war festgehalten worden. Clignet hatte ferner sorgfältig die Namen aller Personen aufgeführt, die er wegen >Verrats gegen das Volk< hatte hinrichten lassen - darunter wenigstens vierzig Personen, die nie Bürger der Volksrepublik gewesen waren. Und er hatte eine Liste von Leuten unter seinem Befehl geführt, die sich durch ihren Pflichteifer im >Dienst des Volkes< besonders hervorgetan hatten.
Im Sternenkönigreich wären die meisten Gefangenen allein auf Grundlage dieser Informationen an den Strang gekommen. Der Gedanke, sie an die wiedererstandene Republik Haven auszuliefern, hatte jedoch eine kühle, köstlich verworfene Eleganz an sich. Selbst der glühendste manticoranische Patriot hätte keinen Augenblick lang bezweifelt, welchen Empfang Präsidentin Eloise Pritcharts Regierung und Admiral Thomas Theismans Navy Henri Clignet und seiner mordgierigen Bande bereiten würden.
Und wie es ihnen stinken wird, von den Konterrevolutionären als gewöhnliche Vergewaltiger, Schläger und Mörder hingerichtet zu werden. Und ... ach je ... Pritchart und Theisman müssten natürlich zugeben, dass solche Typen frei herumlaufen und ursprünglich aus der Republik kommen ...! Ich frage mich, wie viele Fliegen wir da mit einer Klappe schlagen ? Daddy und Web wären begeistert!
»Ich finde auch, dass es angemessen ist«, sagte Paulo d'Arezzo leise. »Und versteht mich nicht falsch, ich empfinde keinen Funken Mitgefühl für diesen Haufen. Aber ich muss schon sagen, Aikawa, nach allem, was ich an Bord der Anhur gesehen habe, fällt es mir schwer, nicht wenigstens ein bisschen ... ich weiß nicht was
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