Honor Harrington 5. Im Exil
war.«
»Und?«
»Nach unseren Aufzeichnungen handelte es sich um einen Lawrence Maguire, Mylady«, antwortete Gerrick.
»Einer der Arbeiter, die ›aus Protest‹ gekündigt haben, als die Berichte über das angeblich minderwertige Material ans Tageslicht kamen. Wir wissen nicht, wo er nun steckt. Die Adresse, die er angegeben hatte, haben wir bereits überprüft: eine Pension. Er hat sein Zimmer dort eine Woche, bevor er sich bei uns bewarb, angemietet, und anscheinend waren sein Lebenslauf und alle Angaben auf dem Bewerbungsbogen auch falsch.«
»Dann wissen wir gar nicht, wer er wirklich ist?« Honor wollte sich ihre Enttäuschung nicht anmerken lassen, aber sie wußte, daß ihr das nicht gelang. Sie mußten diesen Mann unbedingt finden. Wenn sie ihn nicht identifizieren und ein Motiv für seine Mordtat ermitteln konnten, dann würden ihre Feinde behaupten, er sei ein Hirngespinst, eine phantasievolle Erfindung der Firma. Man würde unterstellen, daß es keine Sabotage gegeben hätte und die fehlerhafte Ausführung, die das Unglück verursacht hätte, lediglich auf schlecht ausgebildete Arbeitskräfte zurückzuführen wären, wie es ja bereits feststünde.
»Das habe ich nicht gesagt, Mylady«, entgegnete Gerrick mit einem schmalen Lächeln. »Ich sagte nur, unsere Dateien führten ins Leere, und das tun sie. Aber obwohl er seine Bewerbungsunterlagen gefälscht hatte, mußte er uns doch seine richtigen Fingerabdrücke geben. Vermutlich hat er geglaubt, wir würden das Rätsel niemals lösen und überhaupt bemerken, daß wir nach ihm Ausschau halten müssen, aber wir haben die Abdrücke und übergaben sie bereits Lord Clinkscales. Er verglich sie mit der Harringtoner Datenbank, ohne fündig zu werden. Unser Verdacht, ›Maguire‹ könnte von außerhalb des Guts kommen, verhärtete sich damit. Dann übermittelte Lord Clinkscales unter starker Verschlüsselung die Abdrücke einem Kontaktmann, den er noch beim Planetenschutz hat, und der ließ sie durch die Datenbank des Schwertes laufen. Und wie es das Schicksal so will, Mylady, ist Mr. ›Maguire‹ als Teenager mal wegen Teilnahme an einer Unruhe festgenommen worden. Es handelte sich um eine ›Demonstration‹ gegen die Jerimiten – eine kleine, unabhängig denkende Gruppierung innerhalb der Kirche, von einigen als Ketzer betrachtet –, und diese Demonstration uferte damals in Gewalt aus. Wegen seiner Jugend kam unser Mann mit einer Verwarnung davon. Vermutlich war er sich nicht bewußt, daß ein Gut alle Festnahmen protokolliert, auch solche aus geringfügigem Anlaß, und daß eine Kopie des Protokolls in die Datenbank des Schwertes wandert und dort bleibt.
Auf jeden Fall konnten die Leute des Protectors unseren Mann identifizieren. Sein richtiger Name ist Samuel Marchant Harding.« Honors Augen blitzten auf, und der Ingenieur nickte bedächtig. »Ganz recht, Mylady. Er ist ein Vetter ersten Grades von Edmond Marchant – und sein offizieller Wohnort lautet Burdette City auf dem Gut Burdette.«
23
»Damit steht es also fest, Euer Gnaden?«
»So fest, wie wir es bestätigen können, ohne unser Blatt preiszugeben, Reverend«, antwortete Benjamin IX. »Vor Gericht nützt uns das erst etwas, wenn unsere Experten die Modelle von Sky Domes dupliziert haben, und wahrscheinlich werden wir die Fundamente tatsächlich ausgraben müssen. Aber niemand, der sich mit der Analyse befaßt hat, zweifelt sie an. Bisher sind alle Kontakte zum Planetenschutz auf eine kleine Gruppe beschränkt, bei denen Regent Clinkscales sich gewiß ist, daß sie Schweigen bewahren wird. Ein Oberingenieur im Amt für Bausicherheit des Planetenschutzes hat das Material von Sky Domes überprüft und bestätigt die Schlußfolgerungen ohne Vorbehalt. Außerdem konnte Hardings Identität positiv bestätigt werden.« Der Protector wiegte den Kopf. »Zwar nicht bewiesen in dem Sinne, daß es vor Gericht Gültigkeit besäße, Reverend. Aber wir sind auf dem besten Wege.«
»Ich verstehe.« Reverend Hanks lehnte sich in den Sessel zurück, und in seinen Augen kämpften Kummer und Wut mit Erleichterung. Neben dem Reverend saß Kanzler Prestwick, und der Protector fragte sich, wer von ihnen im Moment wohl erschöpfter aussah. Wenn es überhaupt einen Unterschied gab, dann nur einen sehr gradueller Natur.
»Ich kann einfach nicht glauben, daß sich jemand, der sich einen Gottesmann nennt, zum Mord an Kindern verschwört.« Hanks’ tiefe, sonore Stimme war dunkel und schwer vor Bedrückung.
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