Honor Harrington 5. Im Exil
Betokeramik wäre all das kein Problem gewesen, denn die flüssige Masse wäre unter die ungestützte Seite jedes Pfeilers geflossen und hätte nach dem Erstarren trotzdem genug Halt geboten. Da die Betokeramik aber nicht sachgemäß verschmolzen war, wurde sie zu einem wichtigen Faktor im folgenden Geschehen.«
»Haben wir die Einhaltung der Vorgaben denn nicht kontrolliert?«
»Ja und nein, Mylady«, antwortete Gerrick und zog eine Grimasse. »Die Vorgaben waren in die Software der Bohrer eingearbeitet. Um davon abzuweichen, mußte der Maschinenführer den Bohrer absichtlich umprogrammieren. Wir haben zwischen den Schichten Diagnose- und Selbsttestprogramme laufen lassen, um versehentliche Abweichungen in der Software festzustellen. Das heißt, wer immer die Bohrer umprogrammierte, mußte seine Änderungen wieder rückgängig machen, sobald er seine Schicht beendete – und das hat er getan.
Deshalb erhielten wir bis zum Ende keine Warnung mehr – aber gerade das beweist, daß es eben kein Unfall gewesen sein kann.
Wir haben noch eine zweite Überprüfung vorgenommen, Mylady. Die Mannschaften, die die Pfeiler einsetzten, hatten ebenfalls die korrekten Vorgaben in ihren Computern. Wenn die Löcher nicht stimmten, hätten die Leute es bemerken müssen – und hätten es auch bemerkt, wenn sie nicht von vornherein mit dem Arbeiter unter einer Decke gesteckt hätten, der die Löcher absichtlich falsch gebohrt hatte. Daher wissen wir, daß wenigstens zwei Teams daran beteiligt gewesen sind. Schließlich haben wir auch noch Aufseher damit betraut, nach dem Einsetzen Stichproben an den Sockeln vorzunehmen. Die Männer suchten aber nur nach Fehlern, nicht nach vorsätzlicher, getarnter Sabotage, und die Drahtzieher haben das gewußt.
Im Moment können wir mit Gewißheit sagen, daß die Teams, welche die Pfeiler einsetzten, gewußt haben, welche Löcher sabotiert waren. Sie setzten die Pfeiler ein, dann machten sie die Fundamente, verschmolzen die Betokeramik jedoch nur auf dem obersten halben Meter. Zwei der schadhaften Löcher hatten gute Betokeramik, deshalb nehmen wir an, daß während des Gusses einer unserer Aufseher zugegen gewesen ist und die Saboteure es nicht gewagt haben, in seinem Beisein den Schmelzprozeß zu vermasseln, weil er das mit Sicherheit bemerkt hätte. Was die anderen betrifft – nun, unsere Inspektoren, und auch die von Mueller, machen nur eine zwanzig Zentimeter tiefe Probebohrung in die Betokeramik, um den Abbindeprozeß zu kontrollieren. Das ist der Standard des Schwertes und der Güter, Mylady, schon allein weil es so schwierig ist, in Betokeramik zu bohren. In Anbetracht der Geschehnisse habe ich jedoch dem Protector gegenüber bereits angeregt, daß nun doch eine Probebohrung auf voller Länge verlangt wird.
Im Endeffekt genügte den Saboteuren eine fünfzig Zentimeter dicke Schicht aus guter Betonkeramik, um hinreichende Qualitätskontrollen für das ganze Fundament bestehen zu können. Ein Fundament, das auch nicht im entferntesten jemals nur einen Bruchteil der Belastung aushalten konnte, für das wir es ausgelegt hatten. Selbst wenn die Bohrung hundertprozentig in Ordnung gewesen wäre, hätte die schlechte Betokeramik allein auch alles ruiniert, aber die Saboteure sind kein Risiko eingegangen.«
Mit einem bitteren Grinsen verstummte der Ingenieur, trank einen Schluck Wein und lehnte sich zurück.
»Im Endeffekt waren annähernd vierzehn Prozent der lasttragenden Elemente in der Kuppel sabotiert, und die schräge Bohrung im Boden jedes Loches lud das Gewicht dieser Pfeiler sogar noch auf die anderen. Es bestand nicht die geringste Chance, Mylady, nicht die allerkleinste, daß die Kuppel mit all diesen Defiziten stehenbleiben konnte, und wer immer dafür verantwortlich ist, wußte genau, was geschehen würde.«
»Wer war es, Adam?« Honors Augen waren hart geworden, und der Ingenieur zuckte mit den Schultern.
»Im Moment versuchen wir das noch herauszubekommen, Mylady. Wir konnten die Mannschaften, die die Pfeiler einsetzten und die Betokeramik gossen, noch nicht aufgrund unserer Baustellenberichte identifizieren, aber die Polizei arbeitet mit den Videoaufzeichnungen von der Baustelle, und Lord Clinkscales erwartet, ihre Gesichter in unserer Belegschaftsdatenbank wiederzufinden. Bisher konnten wir nur den Maschinenführer des Bohrers feststellen, weil wir wissen, welcher Bohrer welche Löcher gebohrt hat und wer welchem Bohrer in welcher Schicht zugeteilt
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