Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
fuhr Honor fort; »nämlich: Wenn Haven tatsächlich dahintersteckt, dann bekommen wir’s mit echten Kriegsschiffen zu tun und nicht mit den leichtbewaffneten Pötten, die sich der typische Raider zusammenschustert. Ich halte es zwar für unwahrscheinlich, daß wir es hier mit havenitischen Operationen zu tun haben, und vielleicht fürchte ich mich momentan vor meinem eigenen Schatten, aber wir können es uns nicht leisten, irgend etwas als gegeben vorauszusetzen. Deshalb ist es wichtig, daß wir immer das Visier gesenkt lassen, und offiziell weise ich alle Kommandanten an, getarnt zu bleiben und dem Gefecht mit jedem havenitischen Schiff auszuweichen, das größer ist als ein Schwerer Kreuzer. Wenn Sie auf einen Schlachtkreuzer treffen oder gar auf eins dieser Schlachtschiffe – ich bete zu Gott, daß wir davon verschont bleiben –, dann nehmen Sie die Beine in die Hand. Der Verlust eines Kriegsschiffs würde Haven zwar stärker treffen als der Verlust eines Q-Schiffs das Sternenkönigreich, aber für uns ist es wichtiger zu erfahren, wie stark der Gegner ist.«
»Wenn hier draußen Havies operieren, dann vermutlich mit leichtem Zeugs«, meinte Truman.
»Höchstwahrscheinlich. Und wenn wir einem ihrer leichten Schiffe begegnen, dann vernichten wir es«, sagte Honor. »Aber bereits letztes Jahr im Jelzin-System habe ich nicht damit gerechnet, havenitische Schlachtschiffe zu sehen. Haven hat seine Bereitschaft gezeigt, leichte Schlachtgeschwader aggressiv einzusetzen, ganz gleich, wie unerfahren ihr Offizierskader bei Kriegsbeginn war. Wenn da draußen irgendwelche Dickschiffe sind, dann will ich davon erfahren. Das meine ich ernst. Keine Heldentaten. Wenn man Ihnen ein Gefecht aufzwingt, dann können Sie alles auffahren und brauchen sich keine Sorgen machen, irgend etwas zu offenbaren. Aber ein Bericht über die Anwesenheit schwerer havenitischer Kräfte besitzt Vorrang gegenüber dem Versuch, sie zu vernichten. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Cardones und Truman nickten beide. Honor stand auf, nahm Nimitz von der Sessellehne und setzte ihn sich auf die Schulter.
»Wenn das so ist, dann wollen wir mal. Ich möchte um drei Uhr auf Kurs zu unseren Ausgangsstationen sein.«
15
Klaus Hauptmann nickte seiner Chauffeurin knapp zu, als sie ihm die Tür der Fluglimousine öffnete. Mit einem Gesicht, das ein Donnerwetter androhte, stieg er aus dem luxuriösen Gefährt. Während des Fluges hatte in der Limousine eine ausgesprochen ungemütliche Atmosphäre geherrscht, aber Ludmilla Adams nahm weder sein schroffes Nicken noch seine Verärgerung persönlich. Wenn Klaus Hauptmann auf jemand Bestimmten wütend war, dann machte er es gegenüber dem oder der Betreffenden in einer Weise deutlich, die keinen Raum für Zweifel ließ. Da er ihr den Kopf nicht abgerissen hatte, mußte er folglich auf jemand anderen wütend sein. Schon vor langer Zeit hatte sie gelernt, seine gelegentlichen Zornesausbrüche mit ähnlicher Gleichmut hinzunehmen wie jemand, der am Fuße eines Vulkans lebt und dessen Eruptionen betrachtet. Wenn Klaus Hauptmann vor Wut schäumte, so ließ es sich nicht ändern, und Adams wußte, wie sie sich dann zu verhalten hatte. Und so arrogant und egozentrisch ihr Brötchengeber auch war, üblicherweise machte er es wieder gut, wenn er einen seiner Angestellten für etwas anfuhr, das ein anderer zu vertreten hatte.
Allerdings bewies er nicht immer diese Größe der Selbsterkenntnis und konnte ein nachtragender alter Bastard sein. Trotzdem war Adams schon seit über zwanzig Jahren bei ihm beschäftigt, nicht nur als seine Chauffeurin, sondern auch als Sicherheitschefin und Leibwächterin. Sie besaß nämlich die eine Qualifikation, die Hauptmann über alles schätzte: Sie war fähig. Er respektierte sie, und im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte hatten sie ein Verhältnis zueinander aufgebaut, das ihnen beiden behaglich war – nichts weiter als eine Beziehung zwischen Dienstherr und Angestellter selbstverständlich, und keine zwischen Gleichgestellten, aber dieses Verhältnis verschaffte Adams gegenüber seiner Streitlust eine gewisse Distanz.
Er ging an ihr vorbei und betrat den gepflegten Rasen des Hauptmann-Anwesens. Das niedrige, ausgedehnte Landhaus besaß nach außen hin nur ein Obergeschoß, aber äußere Erscheinungen konnten täuschen. Obwohl die Hauptmanns und ihr kleines Heer an Dienstboten auf den oberen Etagen lebten, die jeder sehen konnte, waren neunzig Prozent des Gebäudes subplanetar
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