Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
angelegt. Neun Kellergeschosse mit Garagen, Werkstätten, Datenverarbeitungsabteilungen und den hunderten anderer Geschäftsbereiche beherbergten die Schaltzentrale, die man brauchte, um das Hauptmann-Kartell in Gang zu halten.
Die Architekten hatten etwas erschaffen, das sowohl an eine römische Villa von Alterde als auch an ein rustikales Jagdhaus erinnerte. Die Verschmelzung der Stile hätte an sich lächerlich wirken müssen, aber das Gegenteil war der Fall: das Bauwerk wirkte einzigartig und stimmig, und es passte ganz ausgezeichnet zu dem dichten Wald, der das Anwesen umgab. In einer Kontragrav-Zivilisation war das Anwesen natürlich eine prahlerische Affektiertheit. Türme waren viel billiger zu errichten und nutzen den vorhandenen Raum viel effizienter – es ist immer einfach, nach oben zu bauen als nach unten auszuschachten, und in einem gut entworfenen Turm brauchten die Dienstboten auch nicht von der Küche zum Eßzimmer einen halben Kilometer zu gehen –, aber Klaus Hauptmanns Großvater hatte sich einen Landsitz in den Kopf gesetzt, und einen Landsitz hatte er sich gebaut.
»Brauchen wir den Wagen heute nachmittag noch einmal, Sir?« fragte Adams ruhig.
»Nein«, fuhr Hauptmann sie an, dann zögerte er. »Entschuldigen Sie, Milla. Ich wollte Ihnen nicht den Kopf abbeißen.«
»Dafür bin ich doch da, Sir«, entgegnete sie unbeirrt, und er lachte einmal bellend.
»Ich sollte es trotzdem bleibenlassen«, bekannte er, »aber …« Er zuckte die Achseln, und Adams nickte verstehend. »Jedenfalls brauche ich den Wagen heute nicht mehr. Eventuell verlasse ich bald sogar den Planeten.«
»Den Planeten, Sir? Soll ich die Vorbereitungen veranlassen?«
»Nein«, lehnte Hauptmann kopfschüttelnd ab. »Wenn ich überhaupt gehe, dann wird es keine meiner üblichen Reisen sein.« Adams zog die Brauen hoch, und er grinste schief. »Ich drücke mich nicht absichtlich unklar aus, Milla. Glauben Sie mir, ich gebe Ihnen rechtzeitig Bescheid, wenn’s auf die Reise geht.«
»Gut.« Adams drückte einen Knopf auf der Fernsteuerung an ihrem Handgelenk. Hinter ihnen stieg die Limousine in die Luft und entfernte sich flüsternd in Richtung Parkhauseinlaß. Adams folgte Hauptmann in das beeindruckende Gebäude, das er bescheiden sein Zuhause nannte.
Ein menschlicher Butler öffnete die altmodische, handbetriebene Tür, und Hauptmann nickte ihm zu. Der Butler brauchte nur das Gesicht seines Arbeitgebers zu sehen und trat schweigend beiseite; dann warf er Adams einen fragenden Blick zu und schüttelte ironisch den Kopf, als Hauptmann an ihm vorbeigegangen war. Adams antwortete mit einem Grinsen und folgte dem Magnaten durch eine langgestreckte, luftige Diele, deren Wände ein Vermögen an Kunstschätzen zierte.
»Ist Stacey daheim?« grunzte Hauptmann, und Adams konsultierte ihr Armbandgerät.
»Jawohl, Sir. Sie ist draußen am Pool.«
»Gut.« Hauptmann blieb stehen und zupfte sich kurz am Ohrläppchen, dann seufzte er. »Sie können im Grunde auch weitergehen, Milla. Ich bin sicher, Sie haben genügend eigene Angelegenheiten, um die Sie sich kümmern wollen, aber heute abend verbringen wir zu Hause. Wenn Sie Zeit haben, würde ich mich freuen, wenn Sie uns beim Abendessen Gesellschaft leisten würden.«
»Gern, Sir.« Die Sicherheitschefin nickte und blickte Hauptmann hinterher, der den Flur durchquerte. Ein schwaches Lächeln umspielte ihre Lippen. Ein merkwürdiger Kauz, ihr Arbeitgeber: kurz angebunden, egozentrisch und zu scheußlicher Grobheit neigend, arrogant, aufbrausend und sich überhaupt nicht des feinen Nimbus der Überlegenheit bewußt, den sein Reichtum ihm verlieh; und doch war er zu Einsicht, Freundlichkeit und sogar Großzügigkeit fähig – solange das zu seinen Bedingungen geschah –, und in ihm lebte ein eisernes Pflichtgefühl gegenüber seinen Beschäftigten. Wäre er nicht der reichste Mann des Sternenkönigreichs gewesen, so hätte Adams ihn schlicht als »verwöhnt« bezeichnet. Wie es war, mußte man ihn »exzentrisch« nennen und durfte kein weiteres Wort darüber verlieren.
Ohne sich der Gedanken seiner Leibwächterin gewahr zu sein, schritt Klaus Hauptmann den Korridor entlang. Er hatte anderes im Kopf, und nichts davon erfüllte ihn mit freudiger Erwartung. Er trat in den zentralen Hof des Anwesens. Im regelmäßig angelegten Garten säumten sorgfältig gehegte Alterdenrosen und manticoranische Kronenblüten die Wege, überfluteten den Hof mit Farbe und führten das Auge zu dem
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