Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
großen Schwimmbecken in seinem Herzen. Das Becken war halb so groß wie ein Fußballfeld, und in der Mitte befand sich ein prunkvoller Springbrunnen. Große Bronzefische von einem halben Dutzend Planeten spuckten aus ihren offenen Mündern Wasser ins Becken, während sich unter ihnen Seejungfrauen und Fischmänner räkelten. Das konstante Murmeln und Plätschern wirkte unterschwellig beruhigend.
Im Augenblick jedoch galt Hauptmanns Aufmerksamkeit allein der jungen Frau im Pool. Ihr Haar war so dunkel wie seines, aber sie besaß die braunen Augen ihrer Mutter. Dazu kamen die hohen Wangenknochen und das ovale Gesicht, und ihre Züge verrieten eine gewisse innere Stärke. Die junge Frau war keine blendende Schönheit, und auch das zeigte, daß sie sich ihrer Macht sehr wohl bewußt war, denn sie hätte sich ohne weiteres den besten Biobildner der ganzen Galaxis leisten und sich in eine Göttin verwandeln lassen können. Doch Stacey Hauptmann hatte sich dagegen entschieden, ihr Gesicht verschönern zu lassen, und das zeigte deutlich, daß sie mit sich zufrieden war – und daß sie es nicht nötig hatte, jemand anderem etwas zu beweisen.
Am Ende der Bahn drehte sie sich um und verharrte wassertretend, als sie ihren Vaters erblickte. Er winkte ihr zu, und sie erwiderte die Gebärde.
»Hallo, Daddy! Ich habe dich heute nachmittag gar nicht erwartet.«
»Hat sich so ergeben«, antwortete er. »Hast du einen Moment für mich Zeit? Wir müssen reden.«
»Aber sicher.« Sie schwamm an eine Leiter, kletterte aus dem Becken und nahm sich ein Handtuch. Stacey Hauptmann war durchtrainiert und schlank, aber kurvenreich. Beim Anblick ihres knappen Badeanzugs durchfuhr Hauptmann eine vertraute Irritation, und er unterdrückte die ebenso vertraute ironische Belustigung über sich selbst. Seine Tochter war neunundzwanzig T-Jahre alt und hatte ihre Fähigkeit, auf sich selbst aufzupassen, bereits hinlänglich unter Beweis gestellt. Was sie tat und mit wem, das war ihre Sache, aber vermutlich empfand jeder Vater ähnlich, denn schließlich mußten sie sich daran erinnern, wie sie als junge Männer gewesen waren, oder nicht?
Bei dem Gedanken mußte er leise lachen. Dann ging er zu ihr und hob den Bademantel auf. Er hielt ihn auf, und sie schlüpfte elegant hinein; so früh am Abend sank die Temperatur rasch. Hauptmann wies auf die Stühle an einem der Pooltische. Stacey verknotete den Bademantelgürtel, setzte sich mit übereinandergeschlagenen Beinen hin und blickte ihn neugierig an. Seine Amüsiertheit verebbte, als seine Gedanken zu der Neuigkeit des Tages zurückkehrten.
»Wir haben noch ein Schiff verloren«, sagte er ohne Umschweife.
Staceys Augen verdüsterten sich, als sie begriff, und dafür gab es nicht nur persönliche Gründe. Ihr Vater hatte »wir« gesagt, und dieses Personalpronomen traf zu, denn Klaus Hauptmann hatte aus den Fehlern seines Vaters gelernt. Eric Hauptmann hatte der letzten Generation vor Einführung der Prolong-Behandlung angehört und darauf bestanden, bis zum Tage seines Todes die direkte, persönliche Kontrolle über sein Imperium auszuüben. Klaus hatte eine gewisse Autorität erhalten, war aber nur einer unter vielen Managern gewesen und beim Tod seines Vaters schrecklich unvorbereitet auf die Pflichten, die ihn erwarteten. Schlimmer noch, er hatte geglaubt, er wäre vorbereitet, und seine ersten Jahre als Geschäftsführer waren für das ganze Kartell eine recht heftige Achterbahnfahrt gewesen.
Klaus Hauptmann wollte den gleichen Fehler nicht wiederholen, vor allem deswegen nicht, weil er im Gegensatz zu seinem Vater noch wenigstens zwei T-Jahrhunderte schwungvoller Aktivität erwarten durfte. Geheiratet hatte er erst spät im Leben, aber er würde ja noch lange dabei sein und beabsichtigte nicht, Stacey ein Leben als nutzlose Drohne führen zu lassen oder ihr das Gefühl zu geben, ausgeschlossen und ungeschult zu sein. Sie war bereits Direktorin der Hauptmann-Unternehmen von Manticore B, was die gewaltigen Schürfunternehmen im Asteroidengürtel mit einschloß. Und diese Position hatte sie aufgrund ihrer Leistungen inne, und nicht, weil sie Tochter des Chefs war. Außerdem war sie nach dem Tod ihrer Mutter der einzige Mensch im ganzen Kosmos, den Klaus Hauptmann ohne jede Einschränkung liebte.
»Welches Schiff?« fragte sie, und er schloß einen Moment die Augen.
»Die Bonaventure «, seufzte er und hörte, wie seine Tochter voller Schmerz Luft holte.
»Und die Crew? Captain Harry?«
Weitere Kostenlose Bücher