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Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden

Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden

Titel: Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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würde, dann im Marinesgebiet!
    Doch als er sah, wer sich dort im Zentrum der Halle befand, blieb er mitten im Schritt stehen, und das Lächeln entglitt ihm. Sergeant-Major Hallowell trug nicht den gewohnten, abgewetzten Trainingsanzug, sondern einen formellen Gi , den er mit der schwarzen Schärpe seines Grades zugebunden hatte, und ihm gegenüber stand Lady Harrington.
    Auch die Kommandantin trug einen Gi . Aubrey blinzelte ungläubig, als er die sieben kompliziert geflochtenen Rangknoten an ihrem Gürtel sah. Er hatte zwar gewußt, daß sie einen schwarzen Gürtel im Coup de vitesse besaß, aber nicht, daß sie diesen hohen Grad innehatte. Über dem siebten gab es nur noch zwei weitere offizielle Rangstufen; die wenigen, die jemals den neunten erreicht hatten, nannte man schlichtweg »Meister«, und nur ein außerordentlich törichter Mensch hätte von ihnen gefordert, das unter Beweis zu stellen.
    An Sergeant-Major Hallowells Gürtel hingen sogar acht Knoten, und Aubrey schluckte. Er war sich durchaus im klaren gewesen, daß der Gunny sich beim Sparring zurückhielt, aber er hätte nicht gedacht, daß Hallowell sich solche Beschränkungen auferlegen mußte. Plötzlich machte es ihm gar nichts mehr aus, daß es ihm nie gelungen war, gegen seinen Mentor auch nur einen Punkt zu erzielen. Allerdings verblaßte diese Erleichterung neben dem Erstaunen, die Kommandantin hier zu sehen. Soweit Aubrey wußte, kam sie niemals in die Turnhalle der Marines, und er empfand über ihre Gegenwart widerstreitende Gefühle.
    Nicht, daß er ihr ausgewichen wäre – für einen diensttuenden Petty Officer 3. Klasse war es nur selten nötig, der Halbgöttin ›auszuweichen‹, die ein Schiff der Königin kommandierte –, aber nachdem Steilman ihn zusammengeschlagen hatte, fühlte Aubrey sich in ihrer Gegenwart stets ausgesprochen unbehaglich, und zwar, weil er wußte, daß Ginger und Senior Chief Harkness recht hatten: Er hätte der Kommandantin die Wahrheit sagen und ihr zutrauen sollen, daß sie die Angelegenheit handhabte. Doch das gestand er nur vor sich selbst ein; der eigentliche Grund für seine Verschwiegenheit bereite ihm noch immer schlaflose Nächte: Was mochte ein niederträchtiger Kerl wie Steilman Aubreys Freunden antun – oder was würde Steilman seine niederträchtigen Freunde tun lassen? Mittlerweile befürchtete Aubrey nicht mehr, jemandem wie Steilman keine Grenzen setzen zu können; im Gegenteil: Vielmehr verspürte er das brennende Verlangen, genau damit endlich anzufangen. Die Angelegenheit war persönlich, und obwohl Aubrey wußte, daß seine Haltung nicht zu den vernünftigsten zählte, empfand er so und nicht anders.
    Noch immer verunsicherte ihn die Möglichkeit, die Kommandantin könnte ihn persönlich fragen, was geschehen sei. Aubrey hätte es nach eigener Einschätzung nicht über sich gebracht, sie zu belügen, und er wußte , daß er nichts würde zurückhalten können, sobald Captain Harrington ihm befahl, die Karten auf den Tisch zu legen. Doch obwohl sie ihn mit forschenden Blicken bedacht hatte, als er sich nach der Entlassung aus dem Lazarett wieder zum Brückendienst meldete, setzte sie ihn nicht unter Druck. Nun aber war sie hier, und wenn sie ihn sah, würde sie dann nicht erraten, was er in der Turnhalle trieb? Und wenn, würde sie es zu unterbinden versuchen? Wenn sie das wollte, lag es in ihrer Macht, so viel stand für Aubrey fest – es erschien ihm unvorstellbar, daß die Kommandantin etwas, das sie sich einmal vorgenommen hatte, nicht durchsetzen könnte. Ob sie deswegen ins Marinesgebiet gekommen war?
    Im Augenblick jedoch galt ihre gesamte Aufmerksamkeit Sergeant-Major Hallowell. Beide trugen sie stärkeren Körperschutz als bei den Marines normalerweise üblich, und bevor sie in die Ausgangsstellungen gingen, verbeugten sie sich voreinander.
    In der Turnhalle war alle Aktivität erstorben, und die Marines sammelten sich schweigend um die Matte in der Mitte. Aubrey gesellte sich zu ihnen. Der Baumkater der Kommandantin lag ausgestreckt auf dem Barren und beobachtete das Geschehen mit aufgestellten Ohren. Aubrey hielt die Luft an, als die Kommandantin und der Gunny einander absolut reglos gegenüberstanden. So groß die Kommandantin auch war, Hallowell war zehn Zentimeter größer. Aus schmerzlicher Erfahrung wußte Aubrey, wie schnell dieser große, schwere Mann sein konnte. Doch die Sekunden verstrichen, ohne daß einer von beiden auch nur zuckte. Sie beobachteten einander, und das

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