Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
gewiß, denn Schwangerschaften waren selten bei Baumkatzen, die sich nicht für eine bleibende Partnerschaft entschlossen hatten.
»Werden Sie Samanthas Familie finden können?« fragte sie. Honor war sich nahezu sicher, daß Tschu diese Frage verneinen müßte. Daß sie damals Nimitz’ Clan besucht hatte, war schon höchst ungewöhnlich; normalerweise waren die Adoptierten, die den Namen und den Ort des Clans ihrer Gefährten kannten, Sphinx so sehr verbunden, daß sie als Wildhüter bei der Forstbehörde arbeiteten.
»Da bin ich mir nicht ganz sicher«, mußte Tschu eingestehen. »Als Samantha mich adoptierte, machte ich gerade Urlaub in Djebel Hassa auf Jefferies Land. Ich weiß, daß sie von irgendwo in den Al-Hijaz-Bergen stammt, aber woher genau …«
»Hm.« Honor fuhr sich mit der Hand über die Augenbrauen und betrachtete lange die Katzen, bevor sie wieder zu dem LI aufblickte. »Zufällig weiß ich, wo Nimitz’ Clan auf den Copper Walls haust.«
»Aha?« Tschu dachte einen Augenblick nach und wandte sich Samantha zu. »Was hältst du davon? Möchtest du Nimitz’ Familie vorgestellt werden? Ich bin sicher, dort ist man entzückt, dich kennenzulernen.«
Die beiden ‘Katzen blickten einander kurz in die Augen, dann wandten sie sich ihren Personen zu und zuckten zustimmend mit den Ohren. Tschu lachte leise auf.
»Gut, daß das schon einmal feststeht!« rief er. »Ich sah mich schon die nächsten sechs Monate meine gesamte Freizeit im Djebel Hassa herumstreifen und darauf warten, daß Samantha sagt: ›Wir sind zu Hause!‹« Er blickte Honor an und setzte eine ernstere Miene auf. »Es muß sehr schön sein, so deutlich miteinander zu kommunizieren wie Sie und Nimitz es können, Skipper.«
Honor hob fragend eine Augenbraue, worauf er lachte.
»Skip, vielleicht bemerken es Leute nicht, die nicht selber adoptiert wurden, aber jeder von uns merkt recht schnell, daß Sie und Nimitz eine zusätzliche Wellenlänge gefunden haben, von der wir anderen nichts wissen. Könnten Sie das nicht mir und Samantha beibringen? Ich weiß, daß sie mich versteht, und ich würde alles darum geben, ihre Antwort hören zu können.«
»Ich fürchte, das ist etwas, das sich nicht lehren läßt«, sagte Honor bedauernd. »Es hat sich einfach entwickelt, und wir wissen beide nicht, wie oder weshalb. Wir haben Jahre gebraucht, bis wir Gefühle gegenseitig über die Verbindung austauschen konnten.«
»Meiner Meinung nach handelt es sich um mehr als nur um Gefühle, Skipper«, entgegnete Tschu. »Vielleicht ist es Ihnen noch nicht aufgefallen, daß Sie beide aufeinander viel stärker abgestimmt wirken als irgend jemand, den ich je kennengelernt habe. Wenn Sie Nimitz eine Frage stellen, dann erhalten Sie eine viel klarere – oder weniger zweideutige – Antwort als bei jedem anderen Paar, von dem ich weiß. Es ist geradezu, als wüßten Sie, was der andere gerade denkt.«
»Wirklich?« Honor überlegte einen Moment, dann nickte sie zögernd. »Möglich, daß Sie da nicht ganz unrecht haben.« Bisher hatte sie ihre besondere Verbindung noch nie mit einem anderen Menschen diskutiert, aber wenn Sie nicht mit Nimitz’ ›Schwiegervater‹ darüber sprechen konnte, mit wem dann? »Ich vermag nicht zu verstehen, was er denkt; es handelt sich nicht um echte Telepathie. Aber was ich empfange, das ist … – nun, ein Eindruck von der Richtung seiner Gedanken, und nicht nur Gefühle. Außerdem können wir uns gegenseitig Bilder senden – jedenfalls meistens. Das ist schwieriger, aber hin und wieder wirklich nützlich.«
»Das kann ich mir vorstellen«, seufzte Tschu. Erneut streichelte er Samantha und übertrug ihr seine Liebe, als wolle er ihr versichern, daß sie ihm nicht weniger wert sei, nur weil er umgekehrt ihre Gefühle nicht spüren konnte.
»Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie darüber absolutes Stillschweigen wahren würden«, erklärte Honor schließlich. Tschu blickte sie fragend an, und achselzuckend fuhr sie fort: »Ich bin in der Lage, mit Nimitz’ Hilfe menschliche Emotionen zu spüren. Das kann sehr nützlich sein – hat mir den Hintern gerettet, als die Makkabäer die Familie des Protectors von Grayson ermorden wollten. Deshalb halte ich diese Fähigkeit lieber als Geheimwaffe in Reserve.«
»Das ergibt durchaus Sinn«, antwortete Tschu nach kurzem Nachdenken ernst. »Und ich bin froh, daß Sie es können. Ganz ehrlich, es gibt auf der ganzen Welt nichts, für das ich Ihre vielen Pflichten übernehmen wollte,
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