Honor Harrington 7. In Feindes Hand
begreifen. Sie und der ‘Kater hatten nur zu deutlich das hämische Vergnügen gespürt, mit dem Ransom den Mordbefehl erteilte. Dieses Vergnügen, die Gewißheit, daß Ransom es ernst meinte, hatte sie beide zum Handeln getrieben, denn ihnen war klar gewesen, daß sie nichts mehr zu verlieren hatten. Doch aus einem unersichtlichen Grund hatte Nimitz überlebt, und sie erlangte allmählich die Oberhand über die Schmerzaufwallungen und verwirrenden geistigen Echos, die durch die enge Vereinigung mit dem ‘Kater entstanden waren, und zwang sich darüber nachzudenken, wie das sein konnte.
Gleich jenseits ihres Zugriffs flackerten vage Erinnerungen auf. Wie sie Nimitz von sich geschleudert hatte, wußte sie noch sehr gut. Auch erinnerte sie sich an ihren kurzen Kampf mit den Wächtern, bis sie zu Boden ging; danach wurde alles neblig und unscharf. Das Bild von LaFollet, der versuchte, sich zu ihr durchzukämpfen, trat ihr vor Augen, und McKeon, der geschlagen wurde, daß er in die Knie ging … Sie biß sich auf die Lippen, denn ihr wurde bewußt, was ihr Widerstand die anderen hätte kosten können.
Trotzdem, es bestand kein Grund, weshalb Nimitz noch immer am Leben sein sollte, es sei denn …
Sie runzelte die Stirn, als sich der schwache Widerhall einer Stimme durch ihr Gedächtnis schlängelte. Sie erkannte die Stimme. Die Stimme gehörte Shannon Foraker. Zwar konnte sie sich an die genauen Worte Forakers einfach nicht mehr erinnern, aber die Eindringlichkeit, mit der sie ausgesprochen wurden, klang ihr wieder ganz deutlich in den Ohren. Irgendwie mußte Shannon Ransom dazu bewegt haben, Nimitz nicht auf der Stelle töten zu lassen, aber wie? Und welchen Preis hatte Shannon dafür bezahlt?
Honor fand auf die vielen Fragen keine einzige Antwort und drehte den Kopf auf der Suche nach jemandem, der ihr vielleicht weiterhalf. Neben ihr saß niemand. Sie war alleine in der vordersten Sitzreihe, wo man sie bewußtlos abgelegt hatte. Sie wollte sich umdrehen und einen Blick hinter sich werfen, doch sie konnte nur vor Schmerz aufkeuchen, als eine Hand ihr Haar packte und grausam daran zerrte. Die Hand hinderte sie daran, sich umzudrehen, und zwang sie, geradeaus nach vorne zu blicken. Honor biß die Zähne noch fester zusammen und schnitt jeden weiteren Schmerzeslaut ab.
»Du bleibst schön, wo du bist, Chica .« Ihre Peinigerin war der weibliche SyS-Captain, der das Kommando übernommen hatte. Der Akzent klang quälend vertraut. Honor benötigte einige Sekunden, bevor sie ihn einordnen und sagen konnte, wo sie ihn schon einmal gehört hatte: bei Tomas Ramirez und anderen Flüchtlingen von San Martin, dem bewohnten Planeten von Trevors Stern, der vor Jahren von Haven besetzt worden war. Sie fragte sich, was ihre Peinigerin wohl dabei empfand, daß ihre Heimatwelt nun von der Allianz erobert worden war. Im Augenblick war für Honor jedoch weniger der Akzent von Interesse, sondern vielmehr der schadenfrohe, verächtliche Ton der Stimme. »Du sagst nichts, du drehst nicht den Kopf, du tust überhaupt nichts, solange man es dir nicht befiehlt. Kapiert?«
Honor gab keine Antwort; zur Strafe drehte sich die Hand in ihrem Haar und hob sie tatsächlich einige Millimeter vom Sitz hoch. Auf San Martin war die Schwerkraft noch erheblich höher als auf Sphinx. Die Wächterin demonstrierte ihr die Stärke, die ihr von der Heimatwelt verliehen worden war, und Honor biß sich fest auf die Lippe. Niemals hätte sie für möglich gehalten, daß einfaches An-den-Haaren-Zerren solche Schmerzen verursachen könnte, und die Schergin zischte kalt und schroff:
»Ich habe dich gefragt, ob du das kapiert hast, Chica !«
»Ja.« Honor brachte das einsilbige Wort so ungerührt vor, wie sie nur konnte, und zwang sich – irgendwie –, nicht vor Erleichterung zu stöhnen, als die Frau hämisch kicherte und mit einer verächtlichen Handbewegung ihr Haar losließ. Nimitz’ pulsierender Schmerz unterband Honors Fähigkeit, die Emotionen anderer Menschen zu erfassen, aber auch so begriff sie die tückische Befriedigung der Frau – und ihre Vorfreude. Das ist keine von den Kalten, Gefühllosen , dachte Honor. Die hier hat Freude an ihrer Arbeit.
»Gut. Auf der Reise nach Hell wirst du schon Spaß genug haben, Chica . Glaub mir eins: Mehr solltest du dir nicht einhandeln.«
Honor hörte Uniformstoff leise auf dem Sitzpolster rascheln und schloß daraus, daß ihre Peinigerin sich wieder zurückgelehnt hatte. Ohne sich umzusehen wußte sie, daß
Weitere Kostenlose Bücher