Honor Harrington 7. In Feindes Hand
zu bleiben. Vor knapp sechzehn Minuten haben sie begonnen, den Leuten an den Monitoren diese Aufnahmen vorzuspielen. Solange nicht jemand hier heruntergeschickt wird, sehen sie das, was sie sonst auch immer sehen, und nach den Dateien der Sicherheitsabteilung soll niemand hierherkommen, bevor Sie und die anderen Offiziere für den Transport zum Boden abgeholt werden. Dadurch bekommen wir einen kleinen Zeitrahmen – immer vorausgesetzt, daß alles nach Plan verläuft. Aber wenn ich die Ankunft des Commanders aufgezeichnet und man ihn zwomal kommen gesehen hätte, ohne daß er zwischendurch wieder geht … na ja …«
Er hob die Schultern, und Venizelos nickte. Dann wandte er sich zu Caslet um, bedachte den Haveniten mit einem langen, nachdenklichen Blick, drehte sich McKeon zu und sah ihn fragend an.
»Er kommt mit uns, Andy«, sagte der Kommandant unnachgiebig. Caslet blinzelte, und McKeon grinste ihn grimmig an. »Ich fürchte, wir haben keine andere Wahl, Bürger Commander. Sosehr wir Sie mögen, und soviel Sie für uns getan haben, Sie sind und bleiben havenitischer Offizier. Es wäre Ihre Pflicht, zu verhindern, was immer Harkness auch vorhat. Und wenn wir Sie eingesperrt zurücklassen, tun wir Ihnen auch nicht gerade einen Gefallen, was meinen Sie?«
»Nein, das glaube ich auch nicht«, stimmte Caslet zu.
In seinem schiefen Grinsen steckte aufrichtiger Humor, und er fragte sich, ob McKeon sich über seine Belustigung wunderte wie er selbst. »Man könnte schließlich nur vermuten, ich hätte etwas damit zu tun, richtig?«
»Das meine ich wohl auch«, nickte McKeon und fragte Harkness: »Können Sie die anderen Kammern öffnen?«
»Kein Problem, Sir. Ich hab’ ihre Kombination aus dem Sicherheitsterminal da drüben.«
Mit einer Kopfbewegung wies er auf die Konsole, und McKeon unterdrückte ein Grausen. Das Pult triefte nicht nur vor Blut, es war zudem mit Fetzen von den Leichen der Wachmannschaft bedeckt; am Schott dahinter klebte noch mehr. Um an den Computer zu gelangen, war Harkness dennoch gezwungen gewesen, mitten in dem …
Der Captain blickte in den Gang und bemerkte die blutigen Fußabdrücke, die von der Konsole bis kurz vor die Kammerluke führten. Einen Augenblick lang starrte er darauf, dann atmete er tief durch und wandte sich wieder Harkness zu.
»Dann geben Sie die Kodes an Commander Venizelos weiter, damit er die Zellen öffnen kann. Und währenddessen erklären Sie mir, was zum Teufel wir hier eigentlich tun, Senior Chief«, befahl er.
»… darum also geht es«, beendete Harkness seine Zusammenfassung und blickte sich im Kreis der Männer und Frauen um, die aus ihren Zellen befreit worden waren. Außer den fünf Unteroffizieren waren alle ihm vorgesetzt, trotzdem gehörte ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Insbesondere die von Scotty Tremaine, der offenbar nicht seine leuchtenden Augen von dem bärbeißigen Senior Chief nehmen konnte.
»Fast im ganzen Schiff habe ich die Sicherheitsalarme abgeschaltet, und ich habe eine Karte angefertigt, die den Weg zum Beiboothangar zeigt. Meine kleinen Überraschungen für die Havies konnte ich leider nicht per Zeitschaltung auslösen, weil ich nicht wußte, wie lange wir brauchen würden, bis wir bereit sind. Das bedeutet, daß wir einen Aktivierungskode senden müssen, sobald wir in Position sind, und dazu muß jemand meinen kleinen Computer hier zur richtigen Zeit in einen Steckplatz einführen. Mir ist es außerdem nicht gelungen, in die Systeme des Bunkers einzubrechen. Das Gefängnis hat die höchste Sicherheitsstufe im ganzen Schiff, und die Computer dort sind nicht vernetzt. Es gibt keine direkte Verbindung zwischen den Dingern da und dem Bordnetz, und deshalb ist es der schwierigste Teil, dorthin zu kommen, Captain. Das können wir zwar tun, aber wenn die Wärter am Bunker Zeit haben, einen Alarmknopf zu drücken, dann geht der Alarm auch los, denn ich kann ihn nicht abklemmen.«
»Verstanden.« McKeon rieb sich das Kinn und blickte nacheinander in die Gesichter der sechsundzwanzig Anwesenden. Furcht und grimmige Entschlossenheit spiegelten sich in ihren Mienen. Vom Standpunkt des Berufsoffiziers stellte Harkness’ Plan das Hanebüchenste dar, was McKeon je gehört hatte; am verrücktesten erschien allerdings, daß er tatsächlich funktionieren konnte.
»Wir werden uns aufteilen müssen«, sagte er. »Chief, geben Sie Commander Venizelos das Klemmbrett.«
Harkness nickte und reichte dem Stabschef das elektronische Gerät, das er
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