Honor Harrington 7. In Feindes Hand
etwas vor sich hin. Zwar war er noch keine Stunde im Dienst, aber er haßte die Hundewache. Wenn er nachts arbeiten mußte, fühlte er sich ständig unausgeschlafen, obwohl die Begriffe Tag und Nacht an Bord eines Sternenschiffs nur durch das Chronometer Bedeutung erhielten. Trotzdem ging es ihm so. Auf Hundewache hatte er immer dieses Gefühl der Erschöpfung, das Gefühl, daß sich die Haut rings um die Augen spannte, und dann war er für Kaffee besonders dankbar …
Ein lautes Klappern unterbrach ihn mitten im Gedanken. Erschrocken fuhr er auf und schüttete sich brühheißen Kaffee über die Uniform. Die Flüssigkeit durchdrang das Gewebe und gelangte auf seine Haut.
Der Sergeant fluchte unterdrückt, während er sich mit der freien Hand noch die Brust abtupfte. Dann wandte er den Kopf dem Geräusch zu und schwor sich, dem Verursacher, ganz gleich, wer es war, bei lebendigem Leibe die Haut abzuziehen.
Erst als er sich bereits umdrehte, holte sein Gehirn seine automatischen Reaktionen wieder ein, und er hob erstaunt eine Augenbraue, denn das Geschepper war von links gekommen, obwohl die Lifte sich rechts befanden. Dabei waren die Lifte der einzige Weg in die Abteilung, und seine drei Untergebenen befanden sich alle hier vor ihm: Bürgerin Private Donatelli saß hinter der Kontrollkonsole, während Bürger Corporal Porter und Bürger Private Mazyrak lässig die Ellbogen auf die Theke gestützt hatten. Wenn sie also bei ihm und die Lifte links waren, wer zum Teufel …?
Diesen Gedanken führte er nicht mehr zu Ende, denn noch bevor er den Ventilatorrost entdeckte, der noch immer über das Deck schepperte, erblickte er den menschlichen Körper, der mit den Füßen voran folgte. Dem Sergeant blieb nicht mehr genug Zeit, um den manticoranischen Petty Officer zu erkennen, der zur Republik übergelaufen war – genauer gesagt, hatte er kaum genügend Zeit, um zu begreifen, woher der Mann gekommen war –, denn die Erscheinung hatte zwei langläufige Militärpulser in den Händen. Das letzte, was Bürger Sergeant Calvin Innis je empfand, war Erstaunen, dann riß ein Wirbelsturm aus Dreimillimeterbolzen ihn und seine Leute in Stücke.
28
»Ich weiß Ihre Geste zu schätzen, Bürger Commander, aber wenn wir den Fahrplan nicht erfahren sollen, dann wären Sie lieber nicht hierhergekommen.« Alistair McKeon klang ein wenig undeutlich, denn er hatte mit vier ausgeschlagenen und zwei abgebrochenen Zähnen für seine Forderung bezahlt, Lady Harrington zu sehen. An seiner Aufrichtigkeit konnte jedoch kein Zweifel bestehen.
Warner Caslet hob fatalistisch die Schultern. »Viel mehr Ärger kann ich wirklich nicht mehr bekommen, Captain«, entgegnete er. »Und weder Sie noch Lady Harrington sind die Ursache dafür. Es ist eben so. Und da es so ist, kann ich genausogut ein wenig Zeit für Dinge verwenden, die ich für richtig halte.«
McKeon sagte lange kein Wort und schaute Caslet in die Augen, doch schließlich weichte sein Blick auf, und er nickte. Er wußte so gut wie Caslet, daß der Bürger Commander nahezu nichts hatte ausrichten können. Doch was er erreicht hatte, war für die Gefangenen wertvoll gewesen: die kleinen Gefallen, die er ihnen erweisen konnte, das Verbandsmaterial für Nimitz, die Medikamente, mit denen sich der unablässige Schmerz von McKeons zerstörten Zähnen immerhin dämpfen ließ. Man hatte sie gern angenommen, diese Gefallen, aber zu wissen, daß man sie dem Anstandsempfinden eines feindlichen Offiziers zu verdanken hatte, war für die Moral der Gefangenen wichtiger gewesen als Warner Caslet wahrscheinlich ahnte. Daß sie alle wußten, welchen Preis er am Ende für seinen Anstand bezahlen müßte, machte ihn nur um so wertvoller.
»Danke«, sagte der Manticoraner leise und reichte Caslet die Hand. »Dame Honor hat mir gesagt, Sie seien jemand Besonderes, Bürger Commander. Ich weiß nun, daß sie recht hatte.«
»Sie irren sich. Ich bin nichts Besonderes, nur die SyS ist ein Misthaufen. Da sticht man heraus«, entgegnete Caslet bitter, ergriff aber trotzdem McKeons Hand und schüttelte sie.
»Das mag sein. Ich kann nur beurteilen, was ich sehe, und …«
Der Manticoraner verstummte mitten im Satz und blickte an Caslet vorbei, denn hinter dem havenitischen Offizier öffnete sich ohne Vorwarnung die Luke. Caslet erstarrte, wandte sich jedoch nicht um. Es gab nur einen denkbaren Grund, weshalb sich die Luke öffnen sollte, bevor er Innis anwies, ihn wieder aus der Kammer zu lassen.
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