Honor Harrington 7. In Feindes Hand
und anvisiert«, meldete ihr Waffenoffizier und schaute auf. Nun spielte es keine Rolle mehr, wie gut die passiven Sensoren des Shuttles waren, denn die Zielsucher der Raketen hatten die Haveniten erfaßt. Startbereit hingen die Lenkwaffen an ihren Trägern, und das Lächeln, das Geraldine Metcalf und Sarah DuChene teilten, hätte einen Stern zum Gefrieren bringen können.
»Noch immer nichts von der Tepes ?« fragte Tourville.
»Nein, Bürger Admiral«, antwortete Fraiser mit solcher Nachsicht, daß Tourville errötete. Zur Entschuldigung klopfte er dem Signaloffizier leicht auf die Schulter, dann stellte er sich neben Shannon Foraker und warf einen bohrenden Blick auf das taktische Display.
Die Count Tilly hatte ihre Relativgeschwindigkeit zu Hades auf 10.750 Kps gesenkt. Weitere 35 Minuten würden vergehen, bis der Schlachtkreuzer endgültig abgebremst hatte. Dann befände sich das Schiff noch immer mehr als sieben Lichtminuten von dem Planeten entfernt. Selbst für dieses an sich dürftige Ergebnis hatte Bürger Captain Hewitt sein Schiff bis an die Belastungsgrenzen beanspruchen müssen, ohne daß auch nur der geringste Sicherheitsspielraum für den Trägheitskompensator verblieb. Tourville nahm an, daß später energisch hinterfragt würde, ob seine Vorgehensweise wirklich klug gewesen sei, wo doch eine planetare Basis Nachforschungen anstellen konnte, aber kein Berufsraumfahrer hätte je ein Schiff ignoriert, das seinen Informationen zufolge möglicherweise in Gefahr schwebte. Je mehr Minuten verstrichen, desto mehr verdichtete sich für Tourville die Vermutung zur Gewißheit, mit der Tepes könnte etwas ernsthaft nicht in Ordnung sein. Um diese völlige Emissionsstille hervorzurufen, mußten zu viele Systeme gleichzeitig ausgefallen sein, und er unterdrückte nicht zum erstenmal einen Fluch über die Saumseligkeit von Camp Charon. Teufel noch eins, es war doch schließlich eins von ihren eigenen Schiffen, das in der Klemme steckte! Was für eine Veranstaltung boten ihm diese SyS-Idioten da eigentlich?
Darauf erhielt er keine Antwort – und er befand sich noch immer eine Stunde und zwanzig Minuten von der Tepes entfernt.
»Mir gefällt das nicht«, sagte Honor rundheraus; sie war in die Hocke gegangen, um zusammen mit ihren Begleitern das Klemmbrettdisplay zu betrachten. »Wir sind dort völlig ungedeckt.«
»Das will ich nicht abstreiten, Ma’am«, gab Venizelos ebenso offen zurück, »aber uns fliegt die Zeit davon.«
»Was, wenn wir den Umweg durch die Wartungstunnel nehmen?« fragte Honor und tippte auf den Rand des Displays.
»Ich bezweifle, daß es klappt, Ma’am«, erwiderte McGinley, bevor Venizelos etwas sagen konnte. »Zumindest ein paar von den Havies haben gemerkt, daß wir durch Lift- und Lüftungsschächte krabbeln. Wenn sie ihr Wissen weitergeben konnten, dann wird der Gegner genau damit rechnen. Außerdem hat Commander Venizelos recht: Uns geht die Zeit aus. Wir müssen uns wirklich beeilen, und in diesem Korridor sind wir insgesamt am kürzesten exponiert.«
Honor runzelte die Stirn, knetete sich mit den Fingerspitzen die taube Gesichtshälfte und wünschte, sie spürte etwas davon. Sie war Nimitz näher gekommen, und die Emotionen des Baumkaters knisterten in ihr. Die dunklen Schatten seines körperlichen Schmerzes waren stärker, aber er war auch aufgeregter. Noch immer erhielt Honor kein klares Bild von dem, was vorging, doch war Nimitz immerhin der Ansicht, alles verlaufe genau nach Plan. An diesen Hoffnungsschimmer klammerte sich Honor.
Wie immer die Lage im Hangar war, Venizelos und McGinley hatten recht: Zuerst mußten sie dorthin gelangen, und ihnen standen immer weniger Möglichkeiten zur Auswahl. Die Route, die Venizelos ausgesucht hatte, führte auf kürzestem Wege zu einem Liftschacht, der in Beiboothangar Vier endete, und wenn die Haveniten erst erkannt hatten, daß ein paar Versprengte zu den übrigen Flüchtigen stoßen wollten …
»Andrew?« fragte sie knapp und blickte ihren Waffenträger an.
»Ich glaube, Commander Venizelos und McGinley haben recht, Mylady. Wir gehen gewiß ein Risiko ein, aber kein so großes wie bei einem Umweg. Wenn wir zu lange brauchen, dann ist Captain McKeon gezwungen, uns zurückzulassen – und im schlimmsten Fall wartet er so lange auf uns, daß die Havies seine Leute auch noch erwischen.«
»Also schön«, seufzte Honor und verbog den rechten Mundwinkel zu einem Grinsen. »Wer bin ich denn, mit den Irren zu streiten, die
Weitere Kostenlose Bücher