Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
die ihre Zähne bleckte und ihn schaudern machte; nun erst begriff er, wie akkurat sein Bruder Hamish die Reaktion dieser Menschen auf den Mord an Honor Harrington erfasst hatte.
Benjamin wartete, bis der Applaus nachgelassen hatte und die Gäste wieder saßen, dann lächelte er wieder. Trotz der wilden Gefühlswelle, die soeben durch den Saal gebraust war, war fast etwas Verschmitztes an diesem Lächeln, und er schüttelte den Kopf.
»Sie hätten abwarten sollen«, erklärte er. »Nun müssen Sie das Gleiche noch einmal machen, denn zweitens habe ich Ihnen mitzuteilen, dass Lady Allison Harrington gestern früh meiner älteren Frau mitteilte, dass sie und ihr Ehemann Nachwuchs erwarten.« Dieser Satz erzeugte gebanntes Schweigen, in dem selbst der Aufprall einer Stecknadel noch wie ein Hammerschlag geklungen hätte, und Benjamin nickte ernst. »Morgen werde ich das Konklave der Gutsherren offiziell in Kenntnis setzen, dass ein Erbe vom Blute Lady Harringtons Anspruch auf ihren Schlüssel und die Obhut über die Menschen ihres Gutes erheben wird«, sagte er gemessen.
Nun entdeckte Alexander, dass der vorherige Applaus lediglich ein harmloses Tosen gewesen war. Der Beifallsorkan, der diesmal losbrach, verdiente den Namen ›Donner‹ wirklich. Fausthieben gleich prasselte er auf Alexander ein.
Der Protector bat Allison Harrington mit einer Handbewegung, sich zu erheben, und sie errötete sichtlich, ob vor Erregung oder Verlegenheit, das konnte Alexander nicht sagen.
Eine Ewigkeit schien es zu dauern, bis der Applaus verebbte, und dann sah Alexander jemand anderen am Tisch des Protectors stehen. Der drahtige Mann hatte kastanienbraunes Haar und wirkte viel zu jung, um die Uniform eines graysonitischen Admirals zu tragen. Mit blitzenden grauen Augen wandte er sich an seinen Herrscher.
»Euer Gnaden!«, rief er, und Benjamin drehte sich zu ihm herum.
»Ja, Admiral Yanakov?« Der Protector schien erstaunt, dass der Flaggoffizier ihn ansprach.
»Mit Ihrer Erlaubnis, Euer Gnaden, würde ich gern einen Toast ausbringen.«
Benjamin musterte ihn kurz und nickte. »Aber natürlich, Admiral.«
»Danke, Euer Gnaden.« Judah Yanakov nahm das Weinglas in die Hand und hob es vor sich, sodass das Licht in der lohfarbenen Flüssigkeit schimmerte.
»Euer Gnaden, Mylords und Myladys, Ladys und Gentlemen«, begann er mit volltönender Stimme, »ein Hoch auf die Gutsherren von Harrington – und alle Havies sollen zur Hölle fahren !«
Bei dem Jubel, den er zur Antwort erhielt, hätte der Große Saal eigentlich einstürzen müssen.
BUCH VIER
22
»Was meinen Sie, ob wir diesen Monat den Durchbruch schaffen?«, fragte Scotty Tremaine, während er sich gereizt mit einem bunt gemusterten Taschentuch den Schweiß abwischte, der ihm das Gesicht hinunterlief. Er bemühte sich zwar um einen entspannten Tonfall, doch sein Zuhörer kannte ihn viel zu gut, als dass er sich hätte täuschen lassen.
Horace Harkness antwortete mit einer Gegenfrage: »Nun, was fragen Sie mich das, Sir?« Während seine Stimme durchaus respektvoll klang, sprach er doch in solch künstlich geduldigem Ton, dass Tremaine widerwillig grinsen musste.
»Tut mir Leid, Chief.« Er stopfte das Tuch in die Hüfttasche seiner Hose – er trug keine SyS-Uniformteile mehr, sondern Kleidungsstücke aus den Händen von Henri Dessouix, der als Chefschneider des Lagers fungierte. Auch das Taschentuch stammte von dem Gastoner. »Mir setzt nur dieses Abwarten so fürchterlich zu. Außerdem … Na ja, sagen wir einfach, meine Nerven sind nicht mehr das, was sie mal waren.«
»Meine auch nicht, Sir«, sagte der Senior Chief geistesabwesend und knurrte triumphierend, als die verklemmte Wartungsklappe, mit der er während des Wortwechsels gekämpft hatte, endlich aufsprang. »Licht, Sir?«, bat er, und Tremaine richtete den Strahl seiner Handlampe in den Signalanlagenschacht von Shuttle Nummer Zwo.
»Hm …« Wie Tremaine trug auch Harkness auf Hell gefertigte Kleidung und bevorzugte anscheinend die gleichen schreienden Farben wie Dessouix. Um fair zu bleiben, muss man anmerken, dass Dessouix nur eine beschränkte Auswahl an Farben hatte, denn zur Farbherstellung verwandte er nur die Inhaltsstoffe derjenigen Pflanzen, die in vernünftiger Entfernung von Camp Inferno wuchsen. Andererseits jedoch hatte er offenbar Freude daran, den Sehnerven anderer Menschen Qualen zu bereiten. Harkness schien diese Passion zu teilen, denn er sah aus, wie ein
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