Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
wollen, bis die Graysons das Konzept im Gefecht getestet haben, bevor wir das Geld für solch ›radikale, unerprobte und schlecht durchdachte‹ Innovationen ausgeben!
Er schnaubte und sagte sich, er sei nur der Buchhalter des Sternenkönigreichs und kein Lord der Admiralität. Zivilist war er, und als solcher sollte er sich lieber auf andere Themen konzentrieren und das Militärische Fachleuten wie Hamish und Sir Thomas überlassen.
Er nahm noch einen Schluck Eistee und ließ den Blick wieder durch den Großen Saal schweifen. Da er nicht in Begleitung einer Ehefrau erschienen war, hatte man ihn an einen Tisch gesetzt, der ausschließlich mit Männern besetzt war und gleich unter dem erhöhten Podest des Protectors stand. Der alte General neben ihm, der vermutlich jünger war als Alexander, aber ohne Prolong auskommen musste, interessierte sich weit mehr für seine Essensportion als für ein Gespräch mit Fremdweltlern, und das war Alexander nur recht. Vor Beginn des Essens hatten sie angemessene Floskeln ausgetauscht und sich sodann auf gesellige Art ignoriert, um das wahrhaft köstliche Mahl zu genießen. Am nächsten Tag fand das letzte offizielle Treffen mit Benjamin IX. statt, und Alexander nahm sich vor, dem Protector das Rezeptbuch seines Küchenchefs abzuschwatzen – zumindest wäre es einen Versuch wert. Dass sein älterer Bruder ihn mit seiner angeblichen Genusssucht aufzog, war er gewöhnt, und was sollte er sich beschweren – schließlich war er wirklich ein Feinschmecker. Und nur weil sein Bruder ein unkultivierter Barbar war und alles für dekadent hielt, was komplizierter war als ein blutiges Steak mit Folienkartoffel, musste William Alexander ihm noch lange nicht nacheifern und die feinen Seiten des Lebens verschmähen.
Er lachte leise und sah zu seinem Bruder hinüber. White Haven saß mit Hochadmiral Matthews am Tisch des Protectors – ein Zeichen des hohen Respekts, den der Eroberer von Masada auf Grayson genoss. Gerade hatte er den Kopf gedreht und sagte etwas zu der außerordentlich hübschen Frau, die zwischen ihrem hochaufragenden Ehemann und Katherine Mayhew saß. Am Vortag war Alexander beiden Dr. Harringtons vorgestellt worden, und es hatte ihn erstaunt, dass jemand von Lady Harringtons Größe solch eine zierliche Mutter haben konnte. Während er mit ihr sprach, entdeckte er rasch den scharfen Esprit hinter dem schönen Gesicht, und er hatte Dr. Alfred Harrington um sein großes Glück beneidet.
Der General neben ihm fragte etwas und zog so Alexanders Aufmerksamkeit auf sich. Doch bevor er den Grayson noch bitten konnte, die Frage zu wiederholen, zerschnitt der glockenhelle Klang eines Glases das Stimmengewirr. Wie alle anderen Gäste drehte Alexander den Kopf und sah, dass Benjamin Mayhew sich erhoben hatte und mit einer Gabel gegen sein Weinglas schlug. Jedes Gespräch verstummte. Der Protector wartete lächelnd, bis er sich der vollen Aufmerksamkeit aller Anwesenden gewiss war, dann räusperte er sich.
»Mylords und Myladys, Ladys und Gentlemen«, begann er im unbeschwerten Ton des geübten Redners, »Ihnen allen wurde versprochen, dass dieses Staatsbankett inoffiziellen Charakter habe – sodass Ihnen die Mühsal erspart bleibe, sich langweilige Reden anzuhören …« – damit erntete er leises Gelächter und lächelte noch breiter –, »und dieses Versprechen möchte ich auch halten. Dennoch gibt es zweierlei anzukündigen, und wie ich finde, ist dies der geeignete Zeitpunkt.«
Er hielt inne, und sein Gesicht nahm einen nüchternen, ernsten Ausdruck an.
»Erstens hat Hochadmiral Matthews mich davon informiert, dass das Amt für Schiffsbau sich entschieden hat, den neuesten Superdreadnought der Grayson Space Navy auf den Namen GNS Honor Harrington zu nennen, und dass Lady Harringtons Mutter«, er verneigte sich knapp in Allison Harringtons Richtung, »bereit ist, das Schiff zur Indienststellung zu taufen.«
Wieder unterbrach er sich, denn alle Anwesenden applaudierten. Das Klatschen wurde lauter, und als Alexander den Kopf wandte, standen gerade etliche Männer in GSN-Uniform auf. Dann erhoben sich weitere männliche Graysons, dann auch Frauen. Der Applaus schwoll zu einem Tosen an, von dem der Große Saal widerhallte. Der Donner drang auf William Alexander ein, und wie gegen seinen Willen sprang er auf und fiel ein. Doch während er in die Hände klatschte, spürte er ringsum nicht allein Zustimmung, sondern noch mehr, ein hungriges Verlangen, ein begierige Leidenschaft,
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