Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
Sie hierher gerufen, um Sie von meiner Entscheidung zu unterrichten, Admiral; nicht, um darüber zu diskutieren«, sagte sie tonlos. »Als ranghöchster manticoranischer Offizier auf Hell wären Sie der geeignete Repräsentant Ihrer Majestät Navy im Kriegsgericht, und ich hatte vor, Sie deshalb zum Richter zu ernennen. Da Sie jedoch so stichhaltige und überzeugende Einwände gegenüber dem gesamten Vorhaben vorgebracht haben, kann ich Sie wohl kaum bitten, an einem Vorgang teilzunehmen, dem Sie so tiefe moralische Vorbehalte entgegenbringen. Deshalb sind Sie vom Gerichtsdienst befreit. Commodore McKeon nimmt Ihre Stelle ein.«
»Aber wenn Sie ihre eigenen Gesetze benutzen …«, begann Styles wieder, und Honor schürzte innerlich verächtlich die Lippen, als sie die chaotische Änderung seiner Empfindungen wahrnahm. Eigentlich waren seine Gefühle zu verworren und änderten sich zu rasch, um sie wirklich klar einzuordnen und zu verstehen, doch das war auch gar nicht erforderlich. Er hatte sich darauf vorbereitet, sie zu beschimpfen und einzuschüchtern – und er hatte zugleich seine hochherzige Gegnerschaft zu ihrem Vorhaben kristallklar herausstellen wollen, falls sich später höhere Stellen deswegen auf sie stürzten. Doch so vehement er protestiert hatte, er konnte es noch weit weniger ertragen, dass man ihn überging. Erneut hatte Honor ihn in seiner Würde gekränkt, und sie spürte, wie neuer Hass in ihm aufwogte.
»Nein, Admiral«, sagte sie bestimmt, »ich werde Ihnen keinesfalls zumuten, gegen Ihre Prinzipien zu handeln.«
Er öffnete wieder den Mund, und sie schüttelte den Kopf.
»Weggetreten, Admiral Styles«, sagte sie leise.
»Hoppla! Dem hast du aber ‘ne Breitseite vor den Latz geknallt«, sagte Alistair McKeon.
Styles war wie ein Schlafwandler im Albtraum aus dem Büro marschiert, wenigstens zeitweilig so erschüttert, dass er nicht einmal aufblickte oder unwillig knurrte, als McKeon sich praktisch in der Bürotür an ihm vorbeischob. Ganz offensichtlich bestand zwischen den beiden nur sehr wenig Sympathie, und manchmal fragte sich Honor, wie weit die gegenseitige Abneigung auf die Vorfälle zurückging, aufgrund derer Alistair sich seine Meinung von Styles gebildet hatte. Dabei bedurfte es eigentlich keiner Vorgeschichte, um ihre gegenwärtige Feindschaft zu erklären. Honor hatte Styles zum Leiter ihres hiesigen ›Bureau für Personal‹ ernannt, wodurch er für die Koordination der Shuttleflüge zuständig wurde. Mithilfe der Flüge versuchte Honor eifrig, Kontakt zu allen Gefangenenlagern aufzubauen, sie zu informieren, was auf Styx geschehen war, und allgemein zu zählen, wie viele Münder zu stopfen waren. Diese Aufgabe war überaus wichtig – doch Styles wusste genau, dass Honor ihm absichtlich diesen Posten übertragen hatte, um ihn aus der taktischen Befehlskette auszuschließen. Jesus Ramirez war zum Kommandanten von Camp Charon ernannt worden, Harriet Benson zu seiner Stellvertreterin. Alistair McKeon aber war Honors eigentlicher Erster Offizier. Sie hatte die Dienstwege dahingehend geregelt, dass Styles ihr direkt und nicht über McKeon verantwortlich war, doch Styles war der einzige Offizier auf ganz Hell, auf den das zutraf, und sein Hass auf den ihm untergeordneten Commodore war von geradezu elementarer Unversöhnlichkeit.
Das wusste McKeon ebenso gut wie Honor, und überrascht von seiner Bemerkung, blickte sie ihn an. Er lächelte schief, als er ihre Reaktion sah.
»Die Wände sind hier ziemlich dünn, Honor«, sagte er, »und ich habe nebenan darauf gewartet, dich sprechen zu können. Aber wie er gebrüllt und getobt hat, bevor du diese doppelte Orchiektomie bei ihm vornahmst, muss man ihn bis zum Flugfeld gehört haben!«
»Ach du je«, seufzte Honor. »So weit wollte ich es nicht kommen lassen.«
»Wohl kaum deine Schuld.«
»Vielleicht nicht, aber ich habe auch nichts unternommen, um es zu verhindern. Gut ist es jedenfalls nicht, wenn unsere Leute wissen, dass ich soeben mit dem zwothöchsten alliierten Offizier auf diesem Planeten die Klingen gekreuzt habe.«
»Erstens war es nicht deine Aufgabe, das zu verhindern«, entgegnete McKeon ihr ernst. »Deine Aufgabe besteht darin, den Befehl zu führen und uns am Leben zu halten. Wenn irgendein dummer Mistkerl sich dir gegenüber zum Narren und damit zum Gespött der Leute macht, dann musst du zwar verhindern, dass seine Dämlichkeit unsere Flucht von Hell erschwert, aber du brauchst ihn nicht vor den Folgen zu
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