Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
sei seit acht T-Jahren tot.
Wenn er nicht tot ist, wohin kann das führen? , überlegte sie. Parnell weiß, welche Leichen welcher Legislaturist im Schrank hatte, und er hat nun wirklich keinen Anlass, dem neuen Regime ergeben zu sein! Als Alfredo Yu auf unsere Seite übergetreten ist, haben wir sehr viel gelernt, aber Parnell könnte uns erheblich mehr sagen. Wenn er sich nur dazu entscheidet – das meiste kann nicht mehr aktuell sein, aber selbst wenn wir nur tiefgründiges Hintergrundwissen erhielten …
Sie schüttelte den Kopf, tauchte aus ihren Gedanken auf wie aus tiefem Wasser und blickte Marchant wieder an.
»Gute Arbeit, Solomon. Und richten Sie Harkness bitte das gleiche Lob aus.«
»Aber natürlich, Mylady.«
»Und es war vollkommen richtig, sofort die Pinasse loszuschicken«, bestätigte sie ihm, dann lachte sie auf.
»Was ist so komisch?«, fragte McKeon sie.
»Nur so ein Gedanke«, antwortete sie und schwang sich mit dem Sessel herum, damit sie ihm wieder ins Gesicht sehen konnte.
»Was für ein Gedanke?«
»Dass sich für Warner einiges ändert«, sagte sie und grinste schief. McKeon sah ihr ins Gesicht, dann lachte auch er und schüttelte den Kopf.
»Da könnte was dran sein«, stimmte er ihr zu. »Je nach dem, was Parnell uns zu sagen hat – wenn er überhaupt mit uns spricht –, könnte da wirklich was dran sein, Lady Harrington.«
27
Der Mann, den Geraldine Metcalf in Honors Büro führte, hatte schneeweißes Haar und ein tief zerfurchtes Gesicht. Den Bildern zufolge, die sich in seiner Akte fanden, hatte weder das eine noch das andere zu seinen Merkmalen gehört, bevor man ihn nach Hades schaffte; doch damals waren auch nicht sämtliche Finger seiner linken Hand knorrig und verdreht gewesen, und die hässlichen Narben tiefer, grausamer Brandwunden hatten noch nicht die rechte Hälfte seines Gesichts entstellt und, soweit man sehen konnte, seinen rechten Unterarm bedeckt. Ihm fehlten noch mehr Zähne als selbst Alistair McKeon, und er hinkte auffällig, als sei mit seinem rechten Knie etwas ganz und gar nicht in Ordnung.
Indes sprachen weder Alter noch Niederlage aus seinem malträtierten Gesicht, nicht aus den schroffen Zügen und auch nicht aus den harten braunen Augen, mit denen er Honors Blick begegnete, als sie sich vom Schreibtisch erhob, um ihn zu begrüßen.
»Flottenadmiral Parnell«, sagte sie ruhig.
»Ich fürchte, Sie sind mir gegenüber im Vorteil«, antwortete er und unterzog sie einer eingehenden Musterung. Als er ihre tote Gesichtshälfte bemerkte und das Fehlen ihres rechten Arms, verzog er den Mund und schnaubte leise – vielleicht aus Belustigung, vielleicht aber auch, weil er den Umstand würdigte, dass sie beide von der Systemsicherheit in den gleichen Club eingeführt worden waren. »Graysonitische Uniform, wenn ich mich nicht irre«, murmelte er. »Aber eine Frau?« Er hob den Kopf und musterte noch einmal die reglose Gesichtshälfte, dann änderte sich der Ausdruck seiner Augen, und fast glaubte man, etwas einrasten zu hören.
»Harrington«, sagte er leise, und Sie nickte, überrascht, dass er sie erkannt hatte.
»Honor Harrington«, bestätigte sie ihm, »und dies sind meine höchsten Offiziere – Konteradmiral Styles, Royal Manticoran Navy; Commodore Ramirez, San Martin Navy; Commodore McKeon, ebenfalls Royal Manticoran Navy. Und dies« – sie nickte dem vierten anwesenden Offizier zu – »ist Bürger Commander Warner Caslet von der Volksflotte.«
Parnell sah sie nacheinander an. Auf Caslet schoss er einen kurzen, zutiefst feindseligen Blick ab. Dann nickte er Honor knapp und doch merkwürdig höflich zu, und sie wies auf den Stuhl vor dem Schreibtisch.
»Bitte setzen Sie sich, Admiral.«
»Danke.«
Vorsichtig und offensichtlich unter Schmerzen senkte er sich auf den Stuhl; sein steifes Knie ließ sich nicht einmal geringfügig beugen. Dann lehnte er sich zurück und legte die verkrüppelte Hand in den Schoß. Erneut ließ er den Blick über die Anwesenden gleiten, dann schaute er Honor wieder an und lächelte.
»Wie ich sehe, sind Sie befördert worden, seit man sich das letzte Mal die Mühe machte, mich auf den neuesten Stand zu bringen, Flottenadmiral Harrington«, stellte er fast humorig fest. »An Sie erinnere ich mich als Captain der manticoranischen Navy.«
»Andererseits sind Sie schon eine ganze Weile nicht mehr auf dem Laufenden, Sir«, entgegnete Honor mit einem angedeuteten, schiefen Lächeln.
»Das ist wahr«, sagte er
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