Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
mich irren. Das hoffe ich sogar sehr. Doch wenn irgendjemand von ihnen noch lebt, müssten sie sehr tief in den Untergrund gegangen sein, sodass die SyS sie nicht finden kann, und die Wahrscheinlichkeit dafür …« Er zuckte mit den Schultern.
»Das alte Regime war innerlich verfault«, fuhr er nach einer kleinen Pause fort. »Wäre es anders gewesen, hätte Pierre niemals Erfolg gehabt. Zum Teufel, Commander – von uns an der Spitze wusste jeder, dass das System zusammenbrach! Wir wussten aber nicht, wie wir’s reparieren sollten, und deshalb ließen wir es zu, dass die Fäule sich immer weiter ausbreitete, und am Ende packte Pierre uns alle und biss uns die Kehle durch. Aber trotzdem wussten wir genau, was wir taten, als wir Sie und Ihre Kameraden losschickten, andere Sonnensysteme zu erobern. Glauben Sie niemals, wir hätten nicht gewusst, was wir taten. Wenn ich ganz ehrlich bin, bereue ich es bis heute nicht.« Er lächelte schwach, als Ramirez sich wütend versteifte. »Das war unser einziger Ausweg«, sagte er, und darin lag der Anklang einer Entschuldigung, »das einzige Spiel, auf das wir uns verstanden, und ich müsste lügen, wenn ich nun behaupten würde, wir seien nicht in gewisser Weise stolz gewesen, dass wir es so gut spielten, wie wir nur konnten.«
Ramirez biss die Zähne zusammen, gab aber keine Antwort. Schweigen lastete über dem Büro, bis McKeon sich zurücklehnte und die Beine übereinander schlug.
»Verzeihen Sie mir die Frage, Admiral Parnell«, sagte er, »aber Sie sagten, Tresca zu töten sei der zwote Punkt auf Ihrer Liste.« Parnell blickte ihn mit schwacher, grimmiger Belustigung an und nickte. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, uns zu sagen, was ganz oben steht?«
»Aber nicht im Geringsten, Commodore«, antwortete Parnell höflich. »Im Grunde ist das sogar ein ganz guter Ausgangspunkt. Sehen Sie, die Tötung Trescas war ein rein persönliches Anliegen, etwas, das ich nur für mich getan hätte; und deshalb konnte es nur Numero zwo sein. Nummer eins ist es, der übrigen Galaxis mitzuteilen, was Tresca mir an dem Tag gesagt hat, an dem er Russ Perot ermordete und mir die Hand zermalmte.«
»Und das wäre?«, bat McKeon höflich, als der Legislaturist abwartend schwieg.
»Die Identität der drei Menschen, die tatsächlich hinter dem Harris-Attentat stecken«, antwortete Parnell ungerührt. »Denn sie gehörten nicht zur Volksflotte.« Caslet atmete scharf ein, und sein ehemaliger Oberbefehlshaber blickte ihn an. »Solch einen Verdacht haben Sie doch bestimmt bereits gehegt, Commander. Oder haben Sie wirklich geglaubt, wir würden so etwas tun, besonders, wenn wir gerade einen Krieg begonnen haben?«
»Zuerst nicht«, sagte Caslet leise. »Doch dann kamen all die Geständnisse und die Beweise ans Licht, Sir. Es schien unmöglich … und doch –«
»Ich weiß.« Parnell seufzte. »Was das angeht, so glaubte ich es eine Weile selber, deshalb kann ich Ihnen wohl kaum einen Vorwurf machen. Aber wir waren’s nicht, Commander – weder die Flotte noch irgendein Legislaturist. Pierre selbst war es. Er, Saint-Just und Cordelia Ransom planten das Ganze als Coup, der mit einem Streich die Regierung enthaupten und die einzige Kraft lähmen sollte, die sich den Putschisten hätte in den Weg stellen können: die Volksflotte.«
»Dios« , sagte Ramirez leise, doch Parnell achtete nur auf Honor und hob den Kopf.
»Meine Enthüllung scheint Sie nicht sonderlich zu überraschen, Admiral«, bemerkte er.
»Das ONI und der SIS hegen bereits seit einiger Zeit den gleichen Verdacht, Sir«, entgegnete sie kühl. »Allerdings hatten wir keinen Beweis, und ich glaube, die Entscheidung, keine Behauptungen aufzustellen, die wir nicht untermauern können, wurde auf höchster Ebene getroffen.« Sie zuckte mit den Achseln. »Unter den gegebenen Umständen war sie wohl richtig. Ohne erhärtende Beweise konnte solch eine Beschuldigung nur als Propagandalüge aufgefasst werden und hätte unserer Glaubwürdigkeit geschadet.«
»Verstehe. Aber Sie wissen doch wohl, dass hier auf Hell außer mir wenigstens ein Dutzend Menschen einsitzt, von denen Ihnen jeder ›erhärtende Beweise‹ liefern kann? Was das angeht, so sollte sich irgendwo in der Datenbank eine Aufnahme des Verhörs finden, bei dem Tresca mir von diesem brillanten Zug erzählte.«
Warner Caslet keuchte auf, und Parnell wandte sich ihm zu, um ihn erneut gleichmütig zu betrachten. Caslet öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
Parnell
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