Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
Volksheldin gewesen! Und so schmerzhaft ihr plötzlicher Tod für die Volksrepublik auch war, sie hätte sich doch kaum ein Ende wünschen können, das besser zu ihrer couragierten und charismatischen Führernatur passte, als im Gefecht mit den Volksfeinden den Tod zu finden. Aber sowohl im Komitee für Öffentliche Sicherheit als auch in den Herzen des Volkes hatte ihr Tod eine große Lücke hinterlassen. Der Bürger Sergeant bemühte sich redlich, doch er brachte es nicht über sich, Bürger Minister Boardman für einen würdigen Nachfolger zu halten. Er tat gewiss sein Bestes, allein Ransoms Schuhe wären wohl für jeden zu groß gewesen. Immerhin schlug Boardmans Herz am rechten Fleck, und er wusste genau, wie gefährlich Abschaum wie diese Häftlinge dem Volk werden konnten. Die Bastarde waren Bürger Vizeadmiral Tourville und Bürger Admiral Giscard nicht einmal dankbar, dass sie ihre Rettungskapseln aufgenommen hatten! Anscheinend glaubten sie, einen Anspruch darauf zu haben – glaubten, dass es das Mindeste war, was sie von der Volksflotte verlangen konnten! Und das, obwohl sie selber nach jedem Gefecht die havenitischen Rettungskapseln gnadenlos ihrem Schicksal überließen – es sei denn, sie benutzten die Kapseln zu Zielübungen der Nahbereichs-Abwehrwaffen!
Riogettis Muskeln drohten vor Wut zu zittern, und er nahm mit Bedacht den Zeigefinger aus dem Abzugsbügel des Schrapnellgewehrs. Was ihm schwer fiel, denn am liebsten hätte er auf Feuerstoß geschaltet, die Mündung gesenkt und das ganze Magazin in den handschellentragenden Haufen menschlichen Abfalls geleert, der auf die Shuttles wartete. Doch so sehr er sich das auch wünschte, er konnte es nicht tun.
Jedenfalls nicht ohne Befehl , dachte er sehnsüchtig.
Dieser Befehl hätte eigentlich längst erteilt werden sollen. Aber natürlich hielten manche – sogar Angehörige der Systemsicherheit – die manticoranischen Propagandalügen für wahr, denen zufolge der Feind grundsätzlich alle Rettungskapseln aufnahm, auch volksrepublikanische. Doch Riogetti ließ sich mit solch unbeholfenen Lügen nicht täuschen. Verdammt, die Öffentliche Information zeigte echte Ortungsbilder der Volksflotte, auf denen zu sehen war, wie die Mantys auf Rettungskapseln schossen! Um diesen unumstößlichen Beweis zu entkräften, reichten ein paar plutokratische Lügengeschichten doch kaum aus, und …
Ein Signal ertönte, und Riogetti blickte über die Schulter. Die Shuttles von Camp Charon ließen sich auf die Pralldämpfer nieder, dann wurden sie von den mechanischen Haltearmen umschlossen. Als die Personenröhren unter Druck gesetzt wurden, leuchtete ein grünes Licht auf.
Tja, ein echtes Bilderbuchmanöver , dachte der Bürger Sergeant. Alle drei innerhalb von weniger als zehn Sekunden angedockt!
Ihm kam es nicht in den Sinn zu fragen, weshalb gelangweilte Shuttlepiloten, die auf einer Gefängniswelt Dienst taten, ein Interesse daran haben sollten, mit solch perfekter Koordination anzufliegen. Jedenfalls nicht, bevor gleichzeitig aus jeder Röhre die ersten drei Enterer im Panzeranzug stiegen.
Verblüfft stierte Riogetti die Gestalten an und wunderte sich, was zum Teufel vorging. Trotz des plötzlichen Auftauchens der Neuankömmlinge spürte er keine Besorgnis, denn die Panzeranzüge trugen die üblichen SyS-Rangabzeichen und Truppenembleme, und sie kamen aus SyS-Shuttles, die von Camp Charon und der Operationszentrale der Krashnark freigegeben waren. Deshalb musste es eine vernünftige Erklärung geben. Doch so angestrengt Riogetti auch überlegte, ihm wollte kein Grund einfallen, wozu Gefängniswärter eine Ausrüstung mit dem Gefechtswert eines antiken Panzerkampfwagens brauchten, wenn sie bloß ein paar unbewaffnete Häftlinge in Handschellen abholen sollten!
Acht oder neun gepanzerte Soldaten waren bereits aus jedem Shuttle an Bord gekommen, als Bürger Lieutenant Ericson, der Hangaroffizier, seine Verblüffung überwunden hatte und reagierte.
»Einen Augenblick – einen Augenblick mal! «, rief er über das Hangarintercom. »Was zum Teufel geht da vor? Davon hat mich niemand informiert! Wer hat bei Ihnen den Befehl?«
»Ich«, kam eine verstärkte Stimme aus dem Anzuglautsprecher, und jemand trat vor. Eine tiefe Männerstimme , dachte Riogetti, sehr jung und mit einer merkwürdig weichen Aussprache …
»Und wer zum Teufel sind Sie?«, wollte Ericson wissen. Er stürmte aus seiner Schaltkabine und funkelte den Neuankömmling an. Den sehr
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