Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
empfand tiefes Erstaunen, als er genau die gleichen Gedanken aussprach, über die sie vor wenigen Minuten nachgesonnen hatte, doch schien er ihre Verblüffung nicht zu bemerken.
»Das ist eben der Nachteil, den die Wahlfreiheit mit sich bringt, wie Admiral Parnell neulich meinte«, fuhr er fort.
»Sobald man Wahlfreiheit besitzt, kann man es nicht gut mit sich aushalten, wenn man sich weigert, sie zu benutzen.« Er holte tief Luft und lächelte fast ungezwungen. »Außerdem habe ich in den letzten Wochen von Admiral Parnell viel über Captain Yu erfahren. Wenn er den Mumm hatte, in den Dienst der Allianz zu treten und auch noch ausgerechnet bei den Graysons anzuheuern, dann, bei Gott, kann ich das auch! Wenn Sie mich lassen, heißt das natürlich.«
Honor blickte ihn mehrere Sekunden lang an, während sich Schweigen über den Kontrollraum senkte. Die Gefühle der Wachhabenden drangen auf sie ein, und wenigstens ein Drittel der Leute war davon überzeugt, sie müsste den Verstand verloren haben, wenn sie auch nur daran dachte, ihm so weit zu vertrauen. Doch Benson, Tremaine und Harkness – neben Honor die drei Menschen, die Caslet am besten kannten – sahen dieser Möglichkeit völlig gelassen entgegen. Und Honor zögerte nicht etwa, weil sie Caslet misstraut hätte, sondern weil sie ahnte, wie teuer seine Entscheidung ihn zu stehen käme.
Aber er hat jedes Recht, selbst zu entscheiden, welchen Preis Gewissen ihm wert ist , dachte sie traurig und nickte.
»Gut, Warner«, sagte sie und blickte Harkness an. »Können Sie Bür …« Sie verstummte. »Können Sie Ihren kleinen Zauberkasten dazu bewegen, Commander Caslet zur Erbauung der Krashnark in eine SyS-Uniform zu stecken, Senior Chief?«
»Kostet mich keine Minute, Ma’am«, versicherte Harkness ihr grinsend.
»Also, Warner, setzen Sie sich.« Sie wies auf den Stuhl vor der Hauptsignalkonsole. »Ihren Text kennen Sie ja.«
41
Caslet führte seine Aufgabe in höchster Vollendung aus.
Der einlaufende Kreuzer schöpfte nicht den leisesten Verdacht, und dazu bestand auch kein Grund. Was sollte auf der sicheren Gefängniswelt und Sonderbasis der SyS auch schief gehen? Die Abwehrsatelliten in der Kreisbahn waren intakt, also konnte kein äußerer Feind das Sonnensystem angegriffen haben. Jeder Signalverkehr war ohne Makel, denn er folgte den Instruktionen in den SyS-eigenen Computern aufs Wort, und jede Nachricht enthielt die passenden Sicherheitskodes. Die Wrackteile von Bürger Lieutenant Commander Proxmires Kurierboot hatten sich längst verstreut.
Und daher befolgte VFS Krashnark sämtliche Anweisungen Caslets, ohne sie infrage zu stellen, denn auch sie entsprachen ausnahmslos den Erwartungen. Der Kreuzer passierte die Minengürtel auf der Route, die Honors Leute freigemacht hatten, und trat in den zugewiesenen Parkorbit ein. Und dann hielt die Krashnark sich bereit für die drei Shuttles, die Camp Charon schickte, um die alliierten Kriegsgefangenen vom Kreuzer abzuholen.
Bürger Sergeant Maxwell Riogetti, Systemsicherheit-Bodentruppen, stand mit dem Rücken zu den Personenröhren auf der Beibootgalerie und bewachte die manticoranischen Kriegsgefangenen. Das Schrapnellgewehr hielt er dabei in beiden Händen. Natürlich waren die Kriegsgefangenen nicht ausnahmslos Manticoraner. Sansibaraner waren darunter und einige Alizonier – sogar zwanzig oder dreißig Graysons und selbst eine Handvoll Erewhoner, die das Pech gehabt hatten, im Sansibar-System auf Vorpostenschiffen zu dienen –, doch Riogetti dachte von ihnen als Manticoranern. Und er hoffte von Herzen, dass der Gedanke, nach Hell geschickt zu werden, ihnen allen dicke Schweißtropfen auf die Stirn trieb.
Grund zum Schwitzen haben sie jedenfalls genug , dachte der Bürger Sergeant voll bitterer Genugtuung. Aber wenn nicht, soll’s mir recht sein. Vielleicht ist es sogar besser so. Bürger Brigadier Tresca wird den Mistkerlen schon früh genug zeigen, wo der Hammer hängt!
Er lächelte dünn. Die verdammten manticoranischen Plutokraten waren geldgierige Hundesöhne und horteten enorme Reichtümer, um die sie das Volk betrogen hatten, und überdies machten sie den eigenen Leuten bei jedem Schritt das Leben sauer. Fast war es, als wären sie fest entschlossen zu beweisen, dass sie wirklich die erbitterten Feinde des Volkes waren, als die Bürgerin Minister Ransom sie immer bezichtigt hatte.
Riogettis Lächeln verblasste, als er an Cordelia Ransoms Tod dachte. Das war eine echte
Weitere Kostenlose Bücher