Honor Harrington 9. Der Stolz der Flotte
Röhre zusammengerollt, sodass nach außen nur ein buschiger Schwanz zu sehen war; drinnen verborgen lag die ledrige Haut, die selbst feuchte und vereiste Äste umklammerte, ohne auch nur einen Millimeter abzugleiten. Eine ausgewogene Mischung, die während der arktischen Wintermonate eine optimale Wärmeisolation bot, ohne die ‘Katz an der Benutzung ihres Schweifes zu hindern.
Doch was auf Sphinx günstig war, einer Welt, auf der es selbst im Sommer kühl blieb, galt nicht für den Planeten Hades, den alle Menschen, die zu ihrem Unglück dorthin verbannt wurden, nur ›Hell‹, Hölle, nannten. Hades umkreiste Cerberus B, die G3-Komponente eines Doppelsterns, mit nur sieben Lichtminuten Bahnradius. Der Planet besaß eine Achsneigung von nur fünf Grad und bot einer Baumkatze nur schlechte Lebensbedingungen. Das dreifache Vegetationsdach des Dschungels (das streng genommen sogar aus vier Schichten bestand) hüllte die Oberfläche in trübes, grünstichiges Zwielicht, das täuschend kühl wirkte, doch tatsächlich herrschten immer Temperaturen von mehr als vierzig Grad Celsius, und nur selten sank die relative Luftfeuchtigkeit unter hundert Prozent. Obwohl es regelmäßig regnete, gelangte so gut wie kein Niederschlag direkt auf den Boden. Das Regenwasser zerstäubte vielmehr im dichten Blätterdach und nieselte fast unaufhörlich als Nebel aus winzigen Tröpfchen auf den matschigen Grund. Durch diese feuchte Hitze fühlte sich Honor recht elend, doch für Nimitz konnte sie lebensbedrohlich werden.
Baumkatzen wechselten ihr Sommer- und Winterfell nicht in einem festgelegten Jahreszeitenzyklus. Die Dicke ihres dreischichtigen Pelzes wurde von der aktuellen Umgebungstemperatur bestimmt. Für das Leben auf Sphinx war dieser Mechanismus ideal geeignet, denn dort konnte sich das Ende des Winters durchaus um drei oder vier T-Monate verzögern – relativ gesehen eine geringe Abweichung –, und jahreszeitlich bedingte Wetterveränderungen liefen dort sehr graduell ab. Doch der Übergang aus den gemäßigten Temperaturen eines bemannten Sternenschiffs in das Dampfbad auf Hell war alles andere als graduell erfolgt, sondern sehr abrupt, und Nimitz’ Kreislauf hatte dabei einen schweren Schock erlitten. Während ihres letzten Aufenthalts auf Sphinx war ihm die innerste Winterfellschicht nachgewachsen, aber noch vor ihrer Gefangennahme hatte er sie allmählich wieder abgestoßen. Die abrupte Klimaveränderung nach der Ankunft auf Hell aber aktivierte den Abwurfreflex mit brutaler Heftigkeit. Nun fiel Nimitz nicht nur das Winterfell im Eiltempo aus, sondern auch die Mittelschicht aus Flaum, die eine ‘Katz normalerweise das ganze Jahr über trug und die während des Sommers nur ein wenig dünner wurde. Honor und ihre menschlichen Kameraden verbrachten ihre Zeit in einem dünnen Treibnebel aus Katzenhaaren.
Die zweibeinigen Personen seiner Umgebung wussten zum Glück, dass sein Haarausfall ihn in einen Zustand versetzte, der weitaus unangenehmer war als die Unbill, die ihnen durch die Härchen bereitet wurde, und das stärkte wohl seinen Überlebenswillen. Sie waren sich auch im Klaren, wie wichtig es war, ihm das Fell auszudünnen. Seine schlecht verheilten Wunden erschwerten es ihm sehr, sich das Fell selbst auszukämmen. Trotz der Wolken aus feinem Flugflaum, die bei dieser Prozedur unweigerlich entstanden, fand er immer einen Freiwilligen, der ihn kämmte oder bürstete. Unter anderen Umständen hätte er sich schamlos in der Aufmerksamkeit gesonnt, die ihm zuteil wurde; doch wie es war, wünschte er sehnlicher als jeder andere das Ende dieser Phase herbei.
Nun blinzelte er seine Gefährtin an und bliekte leise, als wollte er um Verzeihung bitten. Honor unterbrach das Nasenreiben und kraulte ihm die Ohren.
»Weiß ich ja, Stinker«, sagte sie und schmiegte sich mit der Wange an seinen Kopf. »Du kannst doch nichts dafür.«
Eine Weile blieb sie sitzen, ohne sich zu rühren. Das warnende Jucken in ihrer Nase wollte sich – vorerst – nicht zu einem weiteren Niesen aufschaukeln. Trotzdem wusste sie, dass es nicht lange auf sich warten ließe, und harrte der Niesattacke entschlossen. Nachdenklich blickte sie in die Äste des hohen Baumes neben ihr hoch. Er erinnerte vage an eine Palme, und sein Stamm durchmaß am Boden gut einen Meter. Mitten im Blattwerk, dreißig Meter über ihr, konnte sie Andrew LaFollet ausmachen. Ihr graysonitischer Waffenträger hatte ein Handcom bei sich, eine Feldflasche, ein elektronisches
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