Honor Harrington Bd. 16
dass ihre Berührung das Zeichen an die Person gewesen war, die den Pulserbolzen abfeuerte. Dass sie sich mit Vorbedacht keinen Meter von ihm aufgestellt hatte, um ihn reglos zu halten, damit ihre Scharfschützin ein ideales Ziel erhielt und die Möglichkeit ausgeschaltet wurde, dass ein bewegtes Ziel ihre sorgsam vorherberechnete Geschossbahn änderte und jemand anderen in die Schusslinie brachte.
Was in vielerlei Hinsicht eine Schande war, überlegte er. Denn da niemand es je erraten würde, wüsste auch nie jemand zu würdigen, welchen Mut, welche Nerven aus Stahl und welches absolute Zutrauen in die ausgewählte Schützin es erforderte, um zu tun, was sie getan hatte.
Selbst während ihm der Gedanke durch den Kopf schoss und die Leiche zurückgeschleudert wurde, warf sich Palane selbst auf den Boden. Bevor sie landete, hielt sie schon das Com in der Hand und bellte Befehle.
Rozsak ließ den Blick über die Terrasse schweifen. Alles lag nun am Boden, in der Deckung der niedrigen Stützmauer, bis auf eine besonders entschlossene Holorekordercrew. Rozsak begegnete dem harten Blick Anton Zilwickis.
Rozsak hatte nicht die geringste Mühe, diesen Blick zu deuten. Das war’s jetzt, Rozsak. Überlegen Sie nicht mal, es auch nur ein bisschen weiter zu treiben.
Der solarische Captain nickte knapp. Im nächsten Moment tauschte er einen Blick mit Jeremy X. Der Kopf der Ballroomer lag unweit von Zilwicki auf der Terrasse, den Handpulser in der Faust.
Den Betrachtern der Holoaufnahmen musste es wie die natürliche Reaktion eines erfahrenen Kämpfers erscheinen. Rozsak hingegen entging nicht die Bedeutung des Starrens dieser leblosen Augen - oder dass Jeremys Waffe, wenn sie auch nicht direkt auf ihn zielte, doch auch nicht sonderlich weit von ihm fortwies.
Er bedachte Jeremy ebenfalls mit einem knappen Nicken. Ja, ja, ja. Das war’s. Diese Schattenoperation ist vorbei.
Tatsächlich war er darüber froh. Bei aller Kaltblütigkeit wäre es selbst Rozsak schwer gefallen, Palanes Beseitigung anzuordnen. Doch das war ohnehin nur noch eine akademische Frage. Watanapongse hatte Recht behalten: Palane war bei weitem nicht die Einzige, die begriffen hatte, wer wirklich hinter Steins Ermordung gestanden hatte. Nur ein Verrückter hätte mit einem Anton Zilwicki oder Jeremy X einen Privatkrieg begonnen - von einem Victor Cachat ganz zu schweigen.
Cachat war nicht anwesend. Rozsak hatte auch nicht damit gerechnet, denn der havenitische Agent gab sein Bestes, um seine Verwicklung in die Affäre so geheim zu halten wie möglich.
Rozsak war erstaunt, als Berry gelassen das Wort ergriff. Er hatte erwartet, dass sie unter Schock stände. Noch mehr aber verblüfften ihn ihre halb geflüsterten Worte. Sie drangen ihm ganz klar ins Ohr, vernehmbar selbst durch die Rufe der Menge und die Alarmrufe, die sich zwischen den Medienleuten erhoben.
»Victor bewacht die Mesaner, die hier bleiben wollten. Nicht die Siedlung - die ist sicher genug -, aber diejenigen, die sich einzeln gestellt haben. Im Augenblick sind sie alle in der alten Kaserne untergebracht.«
Halb auf einen Ellbogen gestützt, blickte Rozsak sie an. Der Hinterkopf der jungen Frau ruhte auf dem Terrassenboden, ihre Augen fixierten ihn. Der Blick war weitaus feindseliger, als er ihn ihr je zugetraut hätte.
»Daran haben Sie nicht gedacht, was?«, wisperte sie eisig. »Die Vergeltung, die wütende Ex-Sklaven üben könnten, nachdem jemand ermordet worden ist, den sie für eine Art Befreier hielten.«
Daran hatte er tatsächlich nicht gedacht. Erschrocken blickte er Palane an, die sich noch immer am Boden duckte und Befehle in ihr Com sprach. Es war Schauspiel, das wusste er - mittlerweile waren die Schwätzer tot, und die Vertuschung hatte begonnen -, aber sie war sehr gut. Er hatte nicht die geringsten Zweifel, dass sich die Medien von ihrer Vorstellung täuschen ließen. Allem Anschein nach setzte Palane eine Menschenjagd in Gang.
»Thandi hat aber daran gedacht«, wisperte Berry. Unverhohlen klang ihre Verachtung aus ihrer Stimme.
Und sogar das Mädchen weiß Bescheid. Rozsak begriff in diesem Augenblick, dass eine junge zukünftige Königin bereits jetzt einen Stab um sich geschart hatte, der genauso tüchtig wie seiner - und vielleicht noch vertrauenswürdiger war. Eigenartig, wirklich, betrachtete man die unvereinbaren Elemente, aus denen er bestand.
Er seufzte leise. »Ich bin froh, dass wir es hinter uns haben«, wisperte er und vertraute darauf, dass sein
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