Honor Harrington: Im Donner der Schlacht: Roman (German Edition)
führe.«
»Warum erklärt mir eigentlich jeder ständig, ich sei keine gute Lügnerin?« Honors Frage klang beinahe schon kläglich. »Sicher, ich habe darin nicht so viel Übung wie, ach, sagen wir, ein Berufsdiplomat oder ein Gebrauchtflugwagenhändler, aber trotzdem …!«
»Nehmen Sie’s nicht so schwer!«, meinte von Ravenheim mit einem beruhigenden Lächeln. »Niemand kann alles können. Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, Sternenschiffe und dergleichen zu zerstören. Da blieb zum Erlernen der hohen Kunst der Doppelzüngigkeit und der Täuschung keine Zeit.« Tröstend tätschelte er ihren Arm.
»Es nicht so schwer nehmen? Ich werde mich bemühen«, versprach sie und lächelte ebenfalls.
»Gut!«
»Trotzdem interessiert mich, weswegen Ihres Erachtens Ihre Majestät zunächst mich zu Ihnen geschickt hat.«
»Eigentlich ist das ganz einfach. Ich soll mich zunächst davon überzeugen, dass Pritchart und Ihre Majestät Seiner Majestät die Wahrheit gesagt haben, bevor man sich mit mir zusammensetzt, um Details zu erörtern. Ihre Kaiserin möchte, dass ich mir Ihre Vorschläge unvoreingenommen anhöre, ohne mich ständig zu fragen, ob sie mir die Wahrheit erzählt, was ihre Beweggründe für besagte Vorschläge betrifft.«
»Ich verstehe.«
Nachdenklich neigte Honor den Kopf zur Seite. Warum ausgerechnet sie zuerst mit von Ravenheim hatte sprechen sollen, hatte Elizabeth ihr gegenüber nicht begründet. Gewiss, sie hatte gleich mehrere Gründe angedeutet, unter anderem eben auch, dass Honor und von Ravenheim im Laufe der letzten Jahre ein recht gutes Verhältnis zueinander aufgebaut hatten. Trotzdem hatte Honor gespürt, dass das nicht die ganze Wahrheit gewesen war. Jetzt, wo sie dem Geistesleuchten der Kaiserin hinterherschmeckte, kam sie zu dem Schluss, dass von Ravenheim wohl richtig lag.
»Nun«, sagte sie, »dann sollten wir uns jetzt wohl über alles andere unterhalten, was Simões – und McBryde – uns mitzuteilen hatten. Aber nehmen Sie doch bitte Platz!«
Sie wies auf zwei bequeme Lehnsessel, und von Ravenheim nickte. Gemeinsam durchquerten sie das Arbeitszimmer, dicht gefolgt von Major Shiang Schenk und Captain Spencer Hawke. An Schenks Schulterklappe prangte das Abzeichen der Totenkopf-Husaren, des Eliteregiments des Anderman-Reiches. Formal war Schenk von Ravenheims erster Adjutant, was eine höfliche Fiktion war. Die Aufgabe der Totenkopf-Husaren war es, die Sicherheit aller Angehörigen der Anderman-Dynastie zu garantieren. Aus Respekt voreinander und ihrer Professionalität wegen kamen Schenk und Hawke gut miteinander aus. Keiner der beiden aber war sonderlich glücklich darüber, dass der jeweils andere eine Waffe im Holster trug. Doch damit hatten sie sich eben abfinden müssen. Schließlich waren beide im Personenschutz tätig, und die von ihnen zu beschützenden Personen mussten sich, so sah es das geltende Recht nun einmal vor, jederzeit in Begleitung bewaffneter Leibwächter befinden.
Geltendes Recht sah im Falle von Ravenheims eigentlich sogar vor, dass sich ihm niemand außer ausdrücklich dafür bestellten andermanischen Sicherheitskräften bewaffnet nähern dürfe. Es hatte trotz von Ravenheims und Honors Freundschaft eines Dispens Seiner Majestät Kaiser Gustavs bedurft, sonst hätte sich weder Honors Leibwächter, der ihr gesetzlich vorgeschrieben war, noch Honor selbst von Ravenheim nähern dürfen. Schließlich wusste man auch im Anderman-System von dem Pulser in Honors künstlicher Hand, den sie bei gesellschaftlichen (oder politischen) Anlässen schwerlich ablegen konnte. Die Ausnahmeregelung zeigte, wie sehr man von andermanischer Seite aus bereit war, Honor zu vertrauen. Gelegentlich ging ihr selbst jetzt noch durch den Kopf, wie schwer es von Ravenheim wohl gefallen sein mochte, den geradezu zwanghaft misstrauischen Kaiser umzustimmen.
Und das, so vermutete sie, wirkte sich auch auf das jetzige Gespräch aus.
Von Ravenheim setzte sich, und Honor ließ sich ihm gegenüber in den zweiten Sessel sinken. Nimitz, der das Eintreffen des Andermaners von seinem üblichen Platz auf der Sitzstange aus beobachtet hatte, sprang herunter und schlich dem Besucher gelassen entgegen. Kurz blickte der ’Kater auf, legte den Kopf schief und sprang von Ravenheim dann geradewegs auf den Schoß. Der Herzog lachte leise, als die ’Katz sich auf die vier hinteren Gliedmaßen setzte und ihm höflich die rechte Echthand entgegenstreckte.
»Ich freue mich auch, dich zu sehen,
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