Honors Mission: Honor Harrington, Bd. 25. Roman
schließlich passiert.«
Abigail schüttelte den Kopf. Während der letzten neun oder zehn T-Jahre hatte sie mehr Zeit auf Manticore als auf Grayson verbracht. Doch trotz der unbestreitbaren, schelmischen Freude, mit der sie sich dem Oberkellner gegenüber ihre Herkunft nicht hatte anmerken lassen, erschien ihr die Einstellung ihrer manticoranischen Freunde deren eigener Aristokratie gegenüber manchmal immer noch ein wenig sonderbar. Wie Gervais schon angemerkt hatte, war ihr Vater ein Gutsherr, und noch die tiefsten, geheimsten Wünsche selbst der hartgesottensten Mitglieder des Bundes der Konservativen von Manticore waren nur ein schwacher Abglanz der Macht, die ein Gutsherr auf seinem eigenen Gut besaß. Der Begriff »absolutistischer Herrscher« kam der Realität noch nicht ansatzweise nahe. »Oberster Autokrat« ging vielleicht wenigstens in die richtige Richtung.
Angesichts ihrer eigenen Abstammung und der Erfahrungen aus ihrer Kindheit gab sich Abigail bemerkenswert wenigen Illusionen hin, was die Schwächen und Fehler der »Hochwohlgeborenen« anging. Doch zugleich stammte sie eben auch von einem unwirtlichen, unerbittlichen Planeten mit einer äußerst traditionalistischen Gesellschaft, deren Verhaltensregeln tief durch die Notwendigkeiten des Überlebens geprägt waren. Zu diesen Regeln gehörte auch die uneingeschränkte Hochachtung den Herrschern gegenüber. Deswegen empfand sie die respektlose, fast schon spöttische Einstellung so vieler Manticoraner ihrem eigenen Hochadel gegenüber als ernstlich verstörend. Ihr ging durch den Kopf, dass sie, was das anging, sogar noch schlimmer war als Helga. Widerstreben, Feindseligkeit, sogar Hass - so etwas konnte sie verstehen, wann immer jemand, der in den Stand der Macht geboren war, diese Macht nur missbrauchte, statt seinen Pflichten nachzukommen. Doch diese übermäßige, schon an Selbstironie grenzende Bescheidenheit, die Leute wie Gwen Archer an den Tag legten, passte einfach nicht zu Abigails eigener Grandeinstellung, auch wenn sie schon Dutzende anderer Manticoraner erlebt hatte, die genau das gleiche Verhalten zeigten. Und sie alle entstammten einer mindestens ebenso vornehmen Familie wie er.
Wahrscheinlich ist es wirklich so: einmal ein Grayson, immer ein Grayson, wo auch immer man gerade leben mag, sinnierte sie. Es war nicht das erste Mal, dass ihr dieser Gedanke durch den Kopf ging. Und es wird auch nicht das letzte Mal sein, dachte sie beißend.
Sie wollte gerade schon etwas sagen, doch sie hielt inne, weil in diesem Moment die Getränke gebracht wurden und der Kellner anschließend ihre Bestellung aufnahm. Dann verschwand er wieder. Abigail nippte an ihrem Eistee (der sich in manticoranischen Restaurants recht selten finden ließ) und setzte das Glas ab.
»Lassen wir jetzt einmal die schändliche, wenngleich zugegebenermaßen unterhaltsame, Vorstellung außer Acht, wie viele Herzinfarkte unsere kleine, verachtenswerte Scharade auslösen mag. Ich würde jetzt gerne versuchen, dieses Gespräch in etwas ernsthaftere Gefilde zu lenken.«
»Na, viel Glück dabei«, murmelte Helen.
»Ich wollte mich gerade erkundigen«, fuhr Abigail fort und bedachte ihre jüngere Freundin mit einem scharfen Blick, »wie es auf der Oberfläche aussieht, Helga.«
»So hektisch wie eh und je.« Helga verzog das Gesicht, nahm einen Schluck aus ihrem Bierkrug und seufzte dann. »Das lässt sich auch gar nicht vermeiden. Bedauerlicherweise wird es nur noch schlimmer werden. Ich glaube nicht, dass jemand in diesem Quadranten jemals so viele Kurierboote im Orbit eines einzelnen Planeten gesehen hat!«
Voller Verständnis verzogen auch ihre drei Zuhörer gequält das Gesicht.
»Wahrscheinlich kann man es ihnen auch gar nicht verübeln«, fuhr sie fort. »Auch wenn ich wirklich das dringende Bedürfnis habe, den nächsten Medienheini, der mir über den Weg läuft, einfach über den Haufen zu schießen! Aber wie genau Minister Krietzmann es ihres Erachtens hinbekommen soll, hier auch noch irgendetwas zu schaffen, während die ihn ständig belagern, nach »Verlautbarungen« fragen und um ›Exklusivinterviews‹ bitten, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.«
»Das ist einer der weniger schönen Aspekte, in einer offenen Gesellschaft zu leben«, sagte Gervais deutlich gleichmütiger, als er sich eigentlich fühlte.
»Ganz genau«, stimmte Abigail ihm zu und lächelte dann böse. »Obwohl ich zu Hause auf Grayson schon gerne den Medienheini sehen würde,
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