Hopp! Hopp! Es geht weiter. Vom Glück und Unglück eines Reiseleiters im Wilden Westen
Angeles
ist eine reine Autostadt. Das öffentliche Verkehrsmittelsystem ist unzureichend
und zudem nicht sehr zuverlässig. Auch vergeht kaum eine Woche, in der nicht
ein Bus oder eine Metrobahn überfallen oder zumindest in einen Unfall
verwickelt wird. Die Alternativen sind rar. Wer zu Fuß geht, muss jederzeit
damit rechnen, entweder erschossen oder verhaftet zu werden. Je nachdem, in
welchem der über achtzig Stadtteile er sich gerade bewegt. Radfahrer leben
ebenfalls gefährlich. Es sei denn, sie beschränken sich auf den eigens für sie
geschaffenen Weg am Pazifikstrand. Auf den Boulevards schweben sie in ständiger
Lebensgefahr, weil einfach kein anderer Verkehrsteilnehmer mit ihrer Gegenwart
rechnet. Zu absurd ist der Gedanke, jemand könnte ohne Motor freiwillig durch
den Smog strampeln. Somit bleibt am Ende lediglich der PKW als persönliches und
halbwegs sicheres Transportmittel. Autos sind relativ günstig in der
Anschaffung, und auch der Sprit ist selbst im teuren Kalifornien noch
erschwinglich. Da es für Privatwagen keinen TÜV gibt, findet jede noch so
schrottreife Kiste einen Platz auf den für Europäer ungewöhnlich breiten
Straßen. Einzige Voraussetzung: Scheinwerfer und Blinker müssen funktionieren.
Das Auto dient den Angelenos allerdings nicht nur als Zweckmittel.
Vielmehr erfüllt es jede nur erdenkliche Rolle im Leben seines Besitzers. Für
den Einen ist es Statussymbol, für den Anderen das einzige Dach über dem Kopf.
Grundsätzlich gilt jedoch die Devise: Desto größer – desto besser. Ein Wagen
taugt hier nur, wenn er mindestens die Größe einer Zwei-Zimmer-Wohnung hat und
einem ausgewachsenen Elefanten Raum auf der Ladefläche bietet. Der Smart fände
in Los Angeles bestenfalls einen Platz im Spielzeugregal des Walmart Super
Centers. Die Menschen in Südkalifornien sind äußerst kreative Autofahrer und
nutzen ihr Fahrzeug insbesondere in den Morgenstunden für allerlei Rituale, um
möglichst viel Zeit zu sparen. Von den Männern wird der allmorgendliche
Verkehrsstau auf den Freeways gern zum Rasieren, Zähneputzen oder zum
Krawattenbinden genutzt. Im stundenlangen Stop and Go Verkehr nehmen sie
ihr Frühstück ebenso selbstverständlich ein, wie sie an Exceltabellen auf ihrem
Laptop tüfteln oder ihre Schuhe putzen. Die Frauen hingegen können darüber nur
müde lächeln, schließlich sind sie „Multi-Tasker“ und besitzen die Fähigkeit,
mehrere Tätigkeiten gleichzeitig während der Fahrt auszuüben. Sie verlassen ihr
Haus im Jogginganzug und steigen wundersamer Weise eine Stunde später perfekt
gestylt und mit toupierten Haaren in der Tiefgarage ihres Arbeitsplatzes wieder
aus dem Wagen. Es grenzt an Akrobatik, wie sie Lippenstift, Mascara und
Pinzette geschickt zwischen den Fingern der linken Hand jonglieren, um mit der
rechten derweil den Süßstoff in ihren Latte Macchiato zu rühren. Einmal konnte
ich sogar eine Dame dabei beobachten, wie sie ihren Säugling auf dem
Beifahrersitz wickelte und nebenbei ihr Navigationssystem programmierte.
Aber all das
sind Themen, mit denen sich meine Gäste bei ihrer Ankunft in Los Angeles nicht
auseinandersetzen müssen. Sie stehen ganz anderen Herausforderungen gegenüber.
Zum Beispiel: Wie finde ich meinen Reiseleiter? Obwohl unsere Gäste schon vor
der Abreise in Deutschland mit genauesten Informationen versorgt werden, was
ihre Ankunft und die Fahrt zum Hotel angeht, schaffen es immer wieder einige
Leute zwischen Flughafen und Hotel verloren zu gehen. Dazu muss ich sagen, dass
sich die von uns gewählten Hotels der Einfachheit halber unmittelbar auf der
Zufahrtstraße zum Internationalen Flughafen von Los Angeles befinden und zudem
einen kostenlosen Shuttle-Service anbieten, der im Viertelstunden Takt
automatisch an jedem Terminal Halt macht. Ganz einfach eigentlich,
vorausgesetzt, man hat seine Reiseunterlagen studiert.
Helmut und
Elfi Tippenhauer aus dem westfälischen Warburg hatten dies offenbar nicht
getan. Nachdem sie ihre Koffer in Empfang genommen und die Zollkontrolle
passiert hatten, waren sie verwundert, dass niemand sie mit offenen Armen
erwartete. Kein Schild mit dem Namen Tippenhauer. Kein Reiseleiter. Kein Bus.
Keine Limousine. Nichts. Das Ehepaar beschloss, erst einmal zu warten. Ich hatte
derweil schon alle anderen Gäste im Marriott Hotel begrüßt und wurde langsam
unruhig, da die Maschine, mit der die Warburger ankommen sollten, schon Stunden
zuvor gelandet war. So warteten wir alle drei. Helmut und Elfi auf mich
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