Hordubal (German Edition)
das, was sie da geschildert hat, nichts Böses wäre. Aber dafür ist das ganze Dorf gegen Polana. Schlimm steht es um Polana; um Stefan freilich auch, aber was bedeutet Stefan – eine Nebenfigur. Ja, ja, das Dorf hat begriffen, daß es sich hier um eine Sache der Moral handelt, Herr Kollege: man könnte sagen, die Gemeinde rächt sich für die verletzte Ordnung. Seltsam, das Volk nimmt doch in der Regel dies und das, was sich so in der Familie begibt, nicht so streng, nicht wahr? Es scheint, daß Polana nicht nur Ehebruch, sondern etwas Schwereres begangen hat. Was, meinen Sie? Je nun, öffentliches Ärgernis; dadurch hat sie sich den Fluch des Dorfes zugezogen.
Verflucht werde Polana. Habt ihr alle gesehen, wie sie den Kopf gereckt hat? Daß sie sich nicht schämt! Sie hat noch dazu gelächelt, als Fedor Bobals Frau erzählte, daß ihr die Weiber die Fenster einschlagen wollten, für ihre Unzucht. Jawohl, den Kopf noch höher gereckt und gelächelt, als hätte sie auf etwas stolz zu sein. Eh, geht, Gevatter, da möcht' ich sie doch selber sehen wollen: ist sie wenigstens hübsch? Hübsch – daß Gott mich nicht strafe! Die muß den Stefan verzaubert haben, sage ich, die Augen muß sie ihm getrübt haben: mager, sage ich, und die Augen – nur stechen mit ihnen; böse muß die gewesen sein, sag' ich. Aber das Kind, hört ihr, wie ein Bildchen; wir haben alle geweint, – wenn man bedenkt, eine Waise! Und seht ihr, nicht einmal vor dem Kindchen hat sich die Person geschämt, vor der eigenen Tochter hat sie Unzucht getrieben. Nun ja, ein Satan, sage ich. Da muß ich sie mir auch anschaun gehn, Gevatter.
Laßt uns, laßt uns hinein, wir wollen die Schamlose sehn. Ah was, wir drängen uns schon zusammen, wie in der Kirche werden wir stehen, laßt uns nur hinein. Leute, drängt nicht so, werdet mit den Pelzen den hohen Gerichtshof verpesten. Weg von dieser Tür! Seht doch, die Magere, die dort, die so gerade sitzt, das ist sie. Wahrhaftig, wer würde das von ihr sagen? Sieht aus wie irgendein Weiblein. Und wo ist Stefan? Ah, von dem sieht man nur die Schultern, und der, welcher aufsteht, der große im Talar, das ist der Staatsanwalt selbst. Stille, stille, jetzt werdet ihr was hören.
Meine Herren Geschworenen, ich habe Ihnen die Umstände wiederholt, wie sie dank der musterhaften Arbeit der Sicherheitsorgane (Biegl im Auditorium stößt Gelnaj in die Seite) festgestellt worden und wie sie aus den Zeugenaussagen hervorgegangen sind. Ich möchte an diesem Orte beiden Teilen meinen Dank ausdrücken. Meine Herren, während meiner langen gerichtlichen Laufbahn habe ich noch keinen Prozeß gesehen, wo die Zeugenaussagen von einer so tiefen, so leidenschaftlichen Anteilnahme an dem Wirken der Gerechtigkeit durchdrungen gewesen wären, wie in diesem Fall. Ein ganzes Dorf, die ganze Bevölkerung von Krivá, Männer, Frauen und Kinder sind vor Sie getreten, nicht nur um Zeugnis abzulegen, sondern um vor Gott und den Menschen eine ehebrecherische Frau anzuklagen. Nicht ich im Namen des Gesetzes, sondern das Volk selbst ist der Ankläger. Nach dem Buchstaben des Gesetzes werden Sie ein Verbrechen richten. Nach dem Gewissen dieses Gottesvolkes werden Sie eine Sünde richten.
Der Staatsanwalt ist sich seiner Sache sicher, aber in diesem Augenblick zögert er. (Was rede ich da von Sünde? Richten wir die Seele eines Menschen, oder nur seine Taten? Es ist wahr – nur die Taten – aber entspringen die Taten nicht der Seele? Halt, Vorsicht, Achtung auf Sackgassen! Der Fall ist doch so klar –.)
Hohes Schwurgericht, der Fall, über den Sie urteilen werden, ist klar, geradezu erschreckend klar in seiner Einfachheit. Sie haben hier nur drei Personen. Die erste davon ist der Gazda, Juraj Hordubal, ein schlichter Mensch, gutmütig, vielleicht ein wenig schwachen Verstandes. Er rackert sich in Amerika ab, verdient fünf bis sechs Dollars täglich und schickt davon vier seiner Familie, seiner Frau, damit sie besser leben kann. Die Stimme des Staatsanwalts nimmt eine seltsame, kehlige Schärfe an. Und von diesem blutverdienten Gelde bezahlt sich diese Frau einen jungen Knecht, welcher sich nicht ekelt, der ausgehaltene Liebhaber eines alternden Weibes zu werden. Was tut Stefan Manya nicht um des Geldes willen? Er zerstört das Heim des Emigranten, entfremdet die Mutter dem Kinde, und als ihn seine Geliebte dazu anstiftet, erschlägt er den schlafenden Gazda um eines Säckchen Dollars willen. Welch ein Verbrechen – welch eine Sünde
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