Hornblower 01 - Fähnrich zur See Hornblower
ihre Küstenverteidigung an dieser Stelle zu verstärken und dafür anderswo ihre Kriegsmaßnahmen einzuschränken. Im Krieg ging es nur darum, dem Gegner so hart wie möglich zuzusetzen, und selbst eine kleine Fregatte von vierzig Kanonen konnte ihm empfindliche Schläge versetzen, wenn sie mit kluger Berechnung geführt wurde.
Fähnrich Hornblower ging am Nachmittag auf der Leeseite des Achterdecks auf und ab, wie es sich für seine untergeordnete Stellung als Fähnrich der Wache geziemte, als sein Kamerad, Fähnrich Kennedy, auf ihn zutrat. Kennedy zog mit Schwung seinen Hut und machte eine tiefe Verbeugung, wie sie ihm sein Tanzlehrer beigebracht hatte: linken Fuß vor, Hut zurück bis ans rechte Knie. Hornblower ging sofort auf den Spaß ein, nahm seinen Hut quer vor den Leib und zelebrierte seinerseits in rascher Folge drei tiefe Bücklinge. Dank seiner Gewandtheit war es ihm ein leichtes, das gespreizte Zeremoniell seiner Zeitgenossen aus dem Stegreif zu parodieren.
»Eure Exzellenz«, sagte Kennedy, »es gereicht mir zur Ehre, Ihnen die untertänigsten Empfehlungen Sir Edward Pellows übermitteln zu dürfen, der Eure Exzellenz in aller Bescheidenheit bitten läßt, um acht Glasen auf der Nachmittagswache sein Gast zum Dinner zu sein.«
»Meine Empfehlung an Sir Edward«, gab Hornblower zur Antwort und beugte bei der Nennung des Namens sein Knie, »und versichern Sie ihm, es würde mir eine Freude sein, mich auf ein paar Minuten bei ihm zu zeigen.«
»Ich bin überzeugt, daß der Kommandant von Ihrer schmeichelhaften Antwort entzückt sein und sich hochgeehrt fühlen wird. Ich werde nicht verfehlen, ihn zu seinem Erfolg zu beglückwünschen.«
Wieder schwangen sie ihre Hüte nach allen Regeln des feinen Anstands, aber das Spiel nahm plötzlich ein Ende, als sie merkten, daß ihnen Mr. Bolton, der Wachhabende Offizier, von Luv her zusah. Da klappten beide ihre Hüte rasch auf den Kopf und besannen sich wieder auf ein Benehmen, wie es Offizieren König Georgs zu Gesicht stand. »Was hat das zu bedeuten?« fragte Hornblower. Kennedy legte einen Finger an die Nase.
»Wenn ich das wüßte«, meinte er, »aber es liegt bestimmt etwas in der Luft. Ich wette, wir werden bald erfahren, was.«
Als das Dinner in der geräumigen Kajüte der Indefatigable serviert wurde, merkte man noch recht wenig davon, daß ein besonderes Ereignis bevorstand, Pellow saß als liebenswürdiger Gastgeber zu Häupten der Tafel, zwischen den anwesenden älteren Offizieren - es waren die Leutnants Eccles und Chadd und der Steuermann Soames - entspann sich eine zwanglose Unterhaltung, bei der alles mögliche zur Sprache kam.
Hornblower und der zweite der eingeladenen Fähnriche, Mallory, der schon über zwei Dienstjahre hinter sich hatte, verhielten sich schweigsam, wie es sich für Fähnriche gehörte, und konnten darum ihre ganze Aufmerksamkeit dem Essen widmen, das alles weit in den Schatten stellte, was sie in ihrer Fähnrichsmesse vorgesetzt bekamen. »Auf Ihr Wohl, Mr. Hornblower«, sagte Pellow und hob sein Glas. Hornblower hob seinerseits das Glas und versuchte, sich im Sitzen möglichst formvollendet zu verbeugen. Er nippte aber nur ein paar Tropfen von seinem Wein, da er längst herausgefunden hatte, daß er nicht viel vertrug, und nichts mehr verabscheute als das Gefühl, nicht mehr nüchtern zu sein.
Der Tisch wurde abgeräumt, und nun bemächtigte sich der ganzen Tafelrunde eine unverkennbare Spannung. Alle warteten darauf zu hören, was ihnen Pellow eröffnen wollte. »Nun, Mr. Soames«, sagte Pellow, »lassen Sie uns einmal einen Blick auf die Karte werfen.«
Die Karte zeigte die Girondemündung, sie enthielt Angaben über die Wassertiefen, und außerdem war von unbekannter Hand mit Bleistift die Lage der Küstenbatterien hineingezeichnet.
»Die Papillon «, sagte Sir Edward (sie hieß bei ihm Päpillon, weil es ihm nicht einfiel, sich um die französische Aussprache des Namens zu bemühen), »liegt genau hier. Mr. Soames hat sie eingepeilt.«
Dabei deutete er auf ein Bleistiftkreuz an einer ziemlich weit stromaufwärts gelegenen Stelle.
»Sie, meine Herren«, fuhr Pellow fort, »werden mit Booten dorthin vorstoßen, um das Schiff herauszuholen.«
Nun wußten sie es. Pellow plante einen Überfall.
»Mr. Eccles übernimmt die Leitung des Unternehmens und wird Ihnen jetzt seinen Plan im einzelnen entwickeln. Bitte, Mr. Eccles.«
Der grauhaarige Erste Offizier wandte sich mit einem Blick aus seinen erstaunlich
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