Hornblower 02 - Leutnant Hornblower
Bush nicht schwer zu erraten, daß dieser kurze Satz manches unausgesprochen ließ, aber er hatte keine Veranlassung, der Sache weiter nachzugehen. Viel wichtiger war, daß er gleich die richtigen Maßnahmen ergriff.
»Suchen Sie einen zuverlässigen Mann aus und lassen Sie ihn mit Black zurück, wenn wir den Marsch fortsetzen.«
»Aye, aye, Sir.«
Damit war die Landungsabteilung nicht nur um den betrunkenen Black schwächer geworden, sondern noch um einen zweiten Mann, der bei ihm bleiben mußte, um weiteren Unfug zu verhindern. Ein Glück immerhin, daß es bis jetzt nicht noch mehr solche Nachzügler gab. Als sich die Kolonne eben wieder in Bewegung setzte, tauchte vorn im schwachen Mondlicht ein schlaksiger Schatten auf. Es war unverkennbar Hornblower. Er fiel neben Bush in Schritt und machte seine Meldung.
»Ich habe das Fort gesichtet, Sir.«
»Wirklich?«
»Jawohl, Sir. Etwa eine Meile von hier kommt wieder ein Graben, und jenseits davon liegt das Fort. Man kann es gegen den Mond ganz deutlich erkennen. Vom Graben aus ist es höchstens noch eine halbe Meile bis dorthin, vielleicht sogar noch weniger. Ich habe Wellard und Saddler im Grabe zurückgelassen; sie haben Befehl, die Kolonne dort anzuhalten.«
»Besten Dank.«
Bush stapfte unverdrossen über das unebene Gelände voran.
Jetzt wuchs trotz aller Müdigkeit seine innere Spannung; er glich einem Tiger, der endlich Witterung von seiner Beute hat und die Muskeln zum Sprunge spannt. Bush war eine echte Kampfnatur, das Bewußtsein, unmittelbar am Feind zu stehen, wirkte auf ihn wie ein berauschender Trunk. Noch zwei Stunden bis Sonnenaufgang, das war fast länger, als ihm lieb war.
»Sie sagen, vom Graben zum Fort sei es noch eine halbe Meile?« fragte er.
»Kaum so viel, Sir.«
»Gut, dann mache ich dort halt und warte, bis es hell wird.«
»Jawohl, Sir. Darf ich mich jetzt abmelden, um zu meiner Abteilung zurückzukehren?«
»Bitte, Mr. Hornblower.«
Bush und Whiting mäßigten ihr Marschtempo zu einem kurzen, taktfesten Schritt, bei dem auch der langsamste und schwerfälligste Mann der ganzen Kolonne mitkam. In diesen Minuten bedeutete es für Bush einen harten Verzicht, daß er dem Feind nicht sofort im Sturmschritt entgegeneilen konnte.
Hornblower rannte mit großen Schritten nach vorn, und Bush bemerkte dabei seinen linkischen Gang, aber er konnte nicht umhin, sich zu der erstaunlichen Tatkraft seines jungen Untergebenen aufs wärmste zu beglückwünschen. Dann begann er, mit Whiting den Plan für den Sturm auf das Fort zu besprechen.
In der Nähe des Grabens erwartete sie ein Unteroffizier. Bush ließ durch die Linien sagen, daß gleich gehalten würde, und befahl dann Halt. Zunächst ging er ein Stück nach vorn, um das Gelände zu erkunden. Whiting und Hornblower neben sich, hielt er Ausschau nach dem Fort, das sich als kantiger Schatte deutlich gegen den Nachthimmel abhob. Es war so sichtig, daß man sogar die dunkle Linie des Flaggenmastes zu unterscheiden meinte. Jetzt ließ seine Nervenspannung nach; er sah nicht mehr so finster drein wie während der letzten Phase des Vormarsches, sondern strahlte geradezu vor guter Laune, die er unter den gegebenen Umständen allerdings nicht so recht an den Mann bringen konnte.
Alle weiteren Anordnungen waren rasch getroffen, Befehle und Meldungen liefen durch die Reihen zurück und wieder nach vorn, die letzten Einzelheiten wurden noch einmal eingeschärft.
Dieser Augenblick war darum für das Gelingen des Ganzen besonders gefährlich, weil die Leute jetzt längs der Bodenrinne verteilt und zum Sturm angesetzt werden mußten. Eine geflüsterte Frage Whitings kostete Bush mehr als einen Augenblick gründlicher Überlegung.
»Soll ich die Leute laden lassen, Sir?«
»Nein«, entschied Bush endlich, »kalter Stahl!«
Es wäre allzu gewagt gewesen, alle diese Musketen im Dunklen laden zu lassen. Nicht nur die Ladestöcke hätten dabei ein untragbares Geklapper verursacht, man mußte außerdem gewärtigen, daß irgendein Trottel am Drücker zog und schoß.
Hornblower entfernte sich nach links, Whiting mit seinen Seesoldaten nach rechts. Bush bildete mit seiner Abteilung die Mitte der Angriffsfront und legte sich zwischen seinen Leuten in Deckung. Seine Beine schmerzten ihn von der ungewohnten Anstrengung, und als er lag, wollte ihm vor Müdigkeit und Schlafmangel schwindlig werden. Da riß er sich zusammen und setzte sich auf, um sich wieder in die Gewalt zu bekommen.
Abgesehen von diesen
Weitere Kostenlose Bücher