Hornblower 03 - Hornblower auf der Hotspur
dafür zu sorgen. Der Posten Kajüte nahm Haltung an, als er eintrat. Sein Blick wanderte flüchtig über die Einrichtung, die wirklich nur aus dem Allernötigsten bestand. An den Deckbalken baumelte seine Schwingkoje, es gab nur einen einzigen Stuhl, an der einen Schottwand hing ein Spiegel und darunter in einem hölzernen Rahmen ein Waschbecken aus Segeltuch. Am Schott gegenüber war sein Schreibtisch mit Eisenklammern befestigt, unter ihm stand seine Seekiste. Eine Segeltuchbahn, die als Vorhang von einem Deckbalken herabhing, ersetzte den Kleiderschrank, indem sie die dahinterhängenden Sachen dem Blick entzog. Das war alles, für mehr gab es keinen Platz. Aber gerade die Winzigkeit dieser Kajüte war in einer Hinsicht von Vorteil. Sie lag ganz achtern und bot keinen Raum für Geschütze. Darum war es auch nicht nötig, ihre Einrichtung bei Klarschiff jedes Mal in aller Hast aus dem Weg zu räumen. Die paar bescheidenen Sachen - für ihn waren sie Luxus und Reichtum, für ihn bedeuteten sie alles Glück der Welt. Neun Tage - nein, zehn war es jetzt schon her -, da lief er noch als Leutnant auf Halbsold herum, dem zu allem Überfluß die Bezüge gesperrt worden waren, weil die Admiralität seine Beförderung wegen des Friedens von Amiens nicht mehr bestätigt hatte. Er ahnte buchstäblich nicht, wo er die nächste Mahlzeit hernehmen sollte. An einem einzigen Abend war dann die wunderbare Wendung eingetreten. Zuerst hatte er beim Whist ein paar hohen Offizieren, von denen einer Lord der Admiralität war, fünfundvierzig Pfund abgenommen, am gleichen Tage hatte der König das Parlament durch eine Note von dem Beschluß der Regierung unterrichtet, die Navy aufs neue zu mobilisieren. Da hatte man ihn zum Commander befördert und zugleich zum Kommandanten der Hotspur ernannt, mit dem Auftrag, das Schiff ohne Verzug seeklar zu machen. Jetzt wußte er, wo er die nächste Mahlzeit herbekam, wenn sie auch nur aus Salzfleisch und Hartbrot bestand. Und dazu kam - weniger zufällig, denn als Folge dieses plötzlichen Wandels der Dinge - daß er sich Hals über Kopf mit Maria verlobte und sie in allzu jungen Jahren zum Traualtar führte.
Das dumpfe Dröhnen des Rumpfes verriet, daß eben eines der Neunpfünderrohre achteraus geschafft wurde. Das war wieder einmal rasche Arbeit, wie man sie von Bush erwarten konnte.
Auch er war vor zehn Tagen noch Leutnant auf Halbsold gewesen, als ihn Hornblower, der wesentlich jüngere, schüchtern und auf eine Abfuhr gefaßt, fragte, ob er Lust hätte, unter ihm Erster Offizier der Hotspur zu werden, als einziger Leutnant, für den es auf einer kleinen Korvette eine Stelle gab.
Er war überrascht und fühlte sich sehr geschmeichelt, als er sah, mit welcher Begeisterung Bush auf sein Angebot einging. »Ich hatte wohl gehofft, daß Sie mich fragen würden, Sir«, hatte Bush gesagt, »dennoch konnte ich im Ernst nicht glauben, daß Sie mich als Ersten Offizier haben wollten.«
»Ich wüßte nicht, wer mir lieber wäre«, antwortete Hornblower darauf. In diesem Augenblick hätte er um ein Haar das Gleichgewicht verloren, denn die Hotspur hob mit einem Male ihren Bug, holte weit nach Lee über und schwang zuletzt das Heck in die Höhe, wie es bei hart am Wind segelnden Schiffen so üblich ist. Also war sie jetzt aus dem Lee der Insel Wight heraus und begegnete daher der vollen Wucht des Seegangs, der in den Kanal hereinstand. Wie töricht war es wieder einmal gewesen, daß er damit so wenig gerechnet hatte.
Im Lauf der letzten zehn Tage war ihm die Seekrankheit wohl dann und wann einmal eingefallen, allein er hatte sich frisch und fröhlich eingebildet, die achtzehn Monate an Land hätten ihn von dieser dummen Schwäche befreit. Heute morgen hatte er schon gar nicht mehr daran gedacht, weil es viel zuviel zu tun gab. Aber jetzt, im ersten Augenblick der Muße, war das Elend auch schon da. Er hatte seine Seebeine verloren - beim nächsten Überholen taumelte er krachend gegen das Schott - und zugleich fühlte er, daß ihm schlecht wurde. Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn, die erste Welle der Übelkeit stieg in ihm auf. Noch fand er Zeit zu einem bitteren Scherz - hatte er sich nicht eben beglückwünscht, daß er jetzt wußte, woher die nächste Mahlzeit kommen werde, nun, im Augenblick wußte er bestimmt noch weitaus besser, wohin die letzte Mahlzeit ihren Weg nehmen sollte. Dann aber packte ihn das Elend mit grausamer Härte.
Mit dem Gesicht nach unten hatte er sich quer über seine
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